Nun ist es also raus:

Konservative Katholiken und Evangelikale haben endlich eine politische Kraft gefunden, die zu ihnen passt: die AfD. Sie machen Stimmung gegen Flüchtlinge und den Papst. Die neuen Helden heißen Putin und Orbán.

So wird der Artikel anmoderiert, den Liane Bednarz in der Frankfurter Sonntagszeitung als Gastbeitrag veröffentlicht hat. Der Artikel beginnt zunächst aber themenfern: Mit dem Konflikt zwischen sowohl katholischer wie evangelischer Kirche und den Rechten. Die Kirche positioniert sich klar gegen die Populisten. Und erntet – wie alle, die das tun – eine Flut von Hasskommentaren. Wir wissen, in St. Petersburg gibt es ein Institut dafür.

Soweit nichts neues. Es gibt besorgte Bürger, und deren „Feedbacks“ an Kirchen genauso wie an Zeitungen, Verlage, Sender und Prominente werden künstlich verstärkt und multipliziert. Das geht der FASZ nicht anders als der katholischen oder evangelischen Kirche.

Trotzdem stellt sie zu Beginn ihres Beitrages eine steile These auf. Zwar sei die gesamte Gesellschaft Opfer der rechten Rattenfänger aber, Achtung: „Konservative Katholiken und Evangelikale erweisen sich sogar als besonders anfällig.“ Jetzt also sollte der Artikel anfangen interessant zu werden. Denn dafür will ich Beweise sehen.

Denn in der Frage, wie fromme Christen zur AfD stehen, könnte es zwei Vermutungen geben: Die eine, dass das Christentum mit seinen Werten von Nächstenliebe, seinen Fluchtgeschichten und seinem Herz für Fremde und Ausgestoßene die Gläubigen gegen rechte Hasspropaganda immunisiere. Dafür spricht zum Beispiel, dass laut einer Studie bei Pegida festgestellt wird „die Konfessionslosen überwiegen deutlich“.

Die andere Vermutung lautet, dass die frommen Christen allein durch die gemeinsamen Feindbilder – Bednarz nennt: Islam, Flüchtlingspolitik, „Genderwahn“ – mit der AfD zusammenrücken müssten. Nun wäre man auch an Fakten interessiert. Sind evangelikale Freikirchen bei der Flüchtlingshilfe unterrepräsentiert? Nach meiner (nicht repräsentativen) Recherche stimmt das nicht. In Deutschland ist Flüchtlingshilfe ökumenisch, und zwar katholisch, evangelisch und freikirchlich.

Die Argumente, die Bednarz für ihre These äußert, sind zwar mit enormem Fleiß gesammelt, aber sie erscheinen mir nicht tragfähig: Ja, die Frau von Storch ist evangelisch und baut da einen christlichen Arbeitskreis auf. Ja, und über die Abtreibungsfrage oder das Eintreten für Eheprivilegien exklusiv für zweigeschlechtliche Paare hat sie Verbindungen und gemeinsame Aktionen mit einer katholischen Aktivistin, der Freifrau von Beverfoerde. Die sei CDU Mitglied.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, werte Leser, aber finden Sie das sensationell? In diesem Stil geht es weiter: Es gebe Spaltungen zwischen radikalen und weniger radikalen Evangelikalen – da spielt sie wohl auf den Streit zwischen Diener und Parzany an. Diener wollte Homosexuellen die Mitarbeit in Gemeinden nicht länger verwehren.

Daran ist allerdings nur sensationell, dass Diener als Chef der Evangelikalen dieses heiße Eisen angefasst hat, und eine Annäherung an landeskirchliche Positionen riskiert hat. Von einer „Radikalisierung“ kann gerade nicht die Rede sein, wenn z. B. der Gnadauer Verband dann Diener auch noch deutlich den Rücken stärkt.

Da es keine wirklichen evangelikalen Kirchenleiter, keine anerkannten Theologen gibt, die sie zitieren kann, weicht sie auf „Publizisten“ aus, also im wesentlichen provozierende Blogger, die ihre Meinung frei und ohne Absprache mit irgendeiner Kirche oder Gemeinde veröffentlichen und zur Diskussion stellen können.

Da führt sie Birgit Kelle auf, den Mann gleich mit dazu, Gabriele Kuby, Matthias Mattusek und Peter Winnemöller. Man fragt sich wirklich, wie in aller Welt Bednarz darauf kommt, solche Meinungspublizisten, die bei Zeitungen wie Cicero oder Blogs wie „eigentümlich-frei“ schreiben, nun als Indikatoren zu betrachten für katholisches oder evangelisches Denken und Wählen.

Die Argumentation ist so speziell, dass ich sie im Original wiedergeben muss:

Ihr Einfluss im vorpolitischen Raum ist nicht zu unterschätzen, auch wenn sie innerkirchlich eine kleine Minderheit sind. Als Menschen, die besonders fromm und moralisch auftreten, genießen sie bei vielen einen Vertrauensvorschuss. So können sie ihr Gedankengut leichter in die Mitte der Gesellschaft transportieren. Wer in das rechtskatholische oder -evangelikale Milieu hineinwächst, übernimmt nicht selten unkritisch auch die dort üblichen politischen Ansichten.

Das muss man einfach mal auf sich wirken lassen. Vorpolitischer Raum. Mitte der Gesellschaft. Vertrauensvorschuss. Milieu. Die Floskeldichte entlarvt diesen Absatz. Er ist der Offenbarungseid des gesamten Artikels. Trotz mühsamster Recherche ist materiell einfach nichts da gewesen, was die steilen Thesen des Anfangs hätte belegen können.

Damit ist die These erst einmal gescheitert. Das bedeutet nicht, dass es sie nicht gibt, die frömmelnden Faschisten. Ganz sicher gibt es sie, und jede Kirche, jede Gemeinde hat damit auch zu kämpfen, wo sie dessen gewahr wird. Aber einen belastbaren Hinweis darauf, dass fromme Menschen nun besonders anfällig seien, finde ich am Ende nicht.

Das ist ermutigend. Der Dissens in Genderfragen, Sexualethik und Familienrecht zwischen konservativ-katholischen bzw. konservativ-evangelikalen Kreisen einerseits und der Mehrheit der Gesellschaft andererseits führt nicht automatisch zu deren politischer Radikalisierung und schon gar nicht zu Hass auf Flüchtende und Schießbefehl.

Umgekehrt ist es bedauerlich, dass Bednarz die Ergebnisse ihrer intensiven Recherche nicht kritisch gegenüber anti-evangelikalen und anti-katholischen Stereotypen auswerten kann. Sondern diese noch einmal bestärkt sieht. Das hinterlässt einen schalen, fast billigen Nachgeschmack. Schade.

Heidelbaer

 

3 Antworten zu „Frömmelnde Faschisten?”.

  1. Der Artikel spricht von „innerkirchlich eine kleine Minderheit“. Es sind aber Leute, die sich prononciert christlich ausgeben und sich der AfD und Pegida ans schmuddelige Chemisette werfen. Gerade die von Storchs beackern dieses Feld. http://www.feinschwarz.net/familienschutz-als-deckmantel/ , auf dem auch manche Blumen unserer Evangelikalen blühen. Die müssen aufpassen, dass sie nicht untergepflügt werden.

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  2. […] Quelle: Frömmelnde Faschisten? – Philippika […]

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