Kirche gegen Rechts – klingt gut, aber…

Klare Kante“ hat er gefordert, der Landesbischof von Bayern und Ratsvorsitzende der EKD. Und der hat recht: Kirche darf nicht schweigen, wenn Andersgläubige an den Rand, ja in die Ecke gedrängt werden. Religion darf nicht als Problem gelten, sie muss als Ressource erkannt werden, Menschen ins Gespräch zu bringen, ja miteinander zu versöhnen. Philippika hat dies immer wieder genau so gefordert.
Was mich immer mehr bewegt ist die Frage, ob die Worte von Heinrich Bedford-Strohm auch für die kläglichen Reste des einst stolzen Proletariats gelten.Auch diese Menschen fühlen sich schwach, in die Ecke gedrängt, und feindseliger Stimmungsmache ausgesetzt.
Die Wahl in Österreich zeigt: Die Sozialdemokratie könnte in eine Existenzkrise fallen, weil ihr die Versöhnung von moralischem Bürgertum und proletarischer Arbeiterwelt nicht mehr gelingt.
Das Bürgertum wandert zu den Grünen, die Arbeiter zu den Rechtspopulisten. Die SPD erodiert zu einem Rest, der sich beiden gegenüber ständig in der Defensive sieht, weil sie einerseits nicht moralisch genug, andererseits zu besserwisserisch und moralisierend daherkommt.
Das bedeutet aber, dass Gewerkschaften und Kirchen eine besondere Verantwortung zukommen. Sie sind im Grunde diejenigen, die eine Verantwortung für sozial Schwache auf ihre Fahnen schreiben und gleichzeitig für eine Kommunikation mit den bürgerlichen Milieus berufen sind.
Momentan sind wir als Kirche allerdings voll auf Kurs der Grünen: wir vermögen das Moralisch integre Bürgertum abzubilden, dem wir ja auch oft entstammen, die uns in vielem am nächsten sind. Dass Kathrin Göring-Eckart problemlos zwischen grünem Politikbetrieb und verantwortlichen Positionen in der evangelischen Kirche wechseln konnte, ist dafür nur ein Indiz.
Aber Jesus will von der Frage, wer unsere Nächsten sind, bekanntlich nichts wissen, sondern fragt beharrlich: Wem wir einfach dadurch zum Nächsten werden, weil er oder sie unter die Räder, unter die Räuber gekommen ist, und die eigentlich Nächsten angewidert vorbeigegangen sind.
Ja, da denken wir sofort an die Flüchtlinge, und das auch zu Recht. Aber wir dürfen nicht in die bürgerliche Falle gehen, nur die Armen und Schwachen zu mögen, die wir in einer paternalistischen Huld mit Almosen versorgen können.
Und hier gestehe ich auch meine Ratlosigkeit: Ich weiß nicht, ob wir die Proletarier aus den Fängen der Rechtspopulisten herauslieben können. Ich habe nicht einmal eine Idee dafür, wie das konkret eigentlich aussehen könnte.
Ich habe momentan auch keine noch so geringe Neigung, mit der AfD oder anderen Rechtspopulisten zu reden. Für mich ist gut möglich, dass sie die rechtsradikalen Geister, die sie in ihren Dienst gerufen haben, nicht wieder in die Flasche zu bekommen. Selbst wenn sie es wollten – was gar nicht mal sicher ist.
Das einzige was ich weiß, ist, dass wir gerade als Volkskirche hier eine Aufgabe und eine Chance haben. Nicht Neigungskirche der Etablierten zu sein, sondern wirklich Nähe zu den Menschen zu suchen. Ihren Ängsten zuzuhören, ohne ihnen in allem Recht zu geben.
Der Rückzug der Kirche (wie gerade in der synodalen Entscheidung in meinem Heimat Kirchenkreis Schleswig-Flensburg), sich aus der Fläche zurückzuziehen, und „Handlungsräume“ zu gründen, die eben die kirchen-affinen Mensche zu Leuchtturmprojekten sammeln, aber den Rest zu Dienstleistungsempfängern herabstufen – es ist auch vor diesem Hintergrund (fürchte ich) ein fataler Irrweg.
Wir dürfen das Gefühl der Abgehängten, abgehängt zu sein, nicht durch unsere eigenes strukturelles Handeln zementieren, wir dürfen es nicht durch Verlautbarungen befeuern, die uns zwar den Applaus des moralisch integren Bürgertums bringen, aber letztlich die Spaltung der Gesellschaft verschärfen.
Denn Religion muss eine Kraft des Friedens und der Versöhnung sein.
Das hat er gut gesagt, der Landesbischof.
Wenn es nicht so verdammt schwer wäre.

Credits: Danke an Stefan Laurin für zwei sehr erhellende Blogartikel über die Rolle des Proletariats in unserer Gesellschaft und bei den Rechtspopulisten –  und an chrismon für die graphische Gestaltung des Bedford-Strohm Zitates.

7 Antworten zu „Kirche gegen Rechts – klingt gut, aber…”.

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  2. Ich wäre mir da gar nicht so sicher, ob das Proletariat und die AfD Wähler gleichzusetzen sind.
    In der Stuttgarter Zeitung war heute ein Artikel, dass die AfD bei der Wahl auch sehr stark eine Partei der Besserverdienenden war. Die rechten Statements kommen in den unteren Schichten zwar etwas besser an als in dier Oberschicht, aber die Unterschiede sind nur gering. Die AfD konnte damit alle Schichten erreichen.

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    1. Die AfD war eigentlich eine Professorenpartei mit nationalliberaler Ausrichtung. Aus diesem Klientel sind immer Wählerschaften ansprechbar.
      Die Zweistelligkeit wird aber nur durch den rechtspopulistischen Schwenk erreicht, der mit der Entmachtung von Henkel und Lucke auch personell vollzogen wurde.
      Das beißt sich programmatisch auch, wird aber durch den gemeinsamen Feind gekittet.

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      1. Ja das sehe ich auch so.
        Was ich von der Vorabversion des Programms gelesen habe, ist dieses auch voll von Widersprüchen zwischen dem Wirtschaftsflügel und dem immer dominanteren nationalistischen Flügel

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      2. Exakt. Was Lucke und Henkel, womöglich auch Petry unterschätzten ist, wie mächtig diese fiesen Geister sind, die sie aus den Verliesen holten. Zauberlehrlinge die nicht die Spur des Formats haben, das es bräuchte, sie in Zaum zu halten…

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  4. Ich hab irgendwie das andere Problem. Ich red immer wieder mit den AfD Anhängern in den sozialen Netzen und versuche, ihnen ihre Fehleinschätzungen darzulegen (freilich ohne wirklichen Erfolg). Und ich kenne auch das Problem, auf ein Niveau runtergezogen zu werden, auf das ich eigentlich nicht will.

    Wenn ich mir überlege, wie wir als Kirche den Kontakt halten können fällt mir einerseits die Diakonie ein – jedoch nicht als am Markt etabliertes und ausgerichtetes Unternehmen, das nach der Logik des Marktes funktioniert. Weil dann sind wir von anderen kommerziellen Anbietern nicht zu unterscheiden.
    Die Frage ist: Wo machen wir als Kirche einen Unterschied?

    Und das geht nur über das Ehrenamt. Wo und sofern wir Menschen motivieren können, sich für andere einzusetzen (wär ja an sich nicht unchristlich), verändern wir was, nehmen wir Not und reduzieren damit wahrscheinlich auch Ängste. Es spricht übrigens nichts dagegen, wenn sich Strukturen dann professionalisieren und sich am Markt tragen. Die Ehrenamtlichen können sich dann anderen Feldern zuwenden.

    Als in der Verkündigung Tätige müssen wir dafür die Grundlage legen, Motivation erzeugen (aus dem Evangelium). Als in der Verwaltung Tätige müssen wir den Prozess strukturell stützen. Wenn das momentan nur über Leuchtfeuerstellen geht, muß das wohl sein, aber mit der Zielrichtung, wieder in die Breite zu kommen und Initiativen dort nach Kräften zu unterstützen. Sich toll zu finden weil man mit zentralisierten Events mal wieder ein Kirchengebäude außerhalb der Weihnachtszeit tatsächlich gefüllt hat, ist fehl am Platz. Man betrügt sich da selbst.

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