Ein Grundproblem der Flüchtlingskrise sind die fehlenden Zahlen. Keiner weiß, wieviele da sind. Wieviele unterwegs sind. Wieviele sich möglicherweise noch auf den Weg machen. Für deutsche Behörden ein Alptraum. Und es sind nun mal unsere Behörden mit der Aufgabe betraut, Flüchtlinge zu erfassen, unterzubringen, zu versorgen, ihre Anträge zu prüfen, ihnen Arbeitserlaubnisse zu stellen, Familiennachzug zu genehmigen und dergleichen mehr.
Die Freiwilligen haben es leichter. Die nehmen, was kommt. Herzlich willkommen, ob da drei Leute im Waggon sind oder dreißig, ob dann über den Tag 300 daraus werden, irgendwie kriegt jeder seine Flasche Wasser und sein Welcome. Sonst wird halt über Facebook noch mal Alarm gemacht, dass man ein paar Paletten mehr braucht. Und die kommen dann auch. Geht doch.
Behörden können so nicht arbeiten. Es ist kein Zufall, dass also auch die Behördenchefs, die Landräte bis rauf zu den Ministern gerne verlässliche Zahlen hätten. Und bis dahin eine „Drosselung“ des Zuzugs wünschen. Um die Zahlen unter Kontrolle zu bringen, endlich zu wissen, wieviele es sind. Hier, unterwegs, oder auf gepackten Koffern.
Noch etwas anderes ist problematisch, bei diesen fehlenden Zahlen: sie taugen extrem gut, um diffuse Ängste zu schüren. Wenn keiner genau weiß, wieviele es sind, entstehen gerne Bilder im Kopf, die von riesigen, unkontrollierten, ja unbegrenzten Größenordnungen ausgehen.
Da fallen Formulierungen wie „alle“, „die ganze Welt“, es grassieren Metaphern wir „Strom, Flut, Lawine“, allesamt geeignet, geradezu apokalyptische Katastrophenszenarien im Kopf abzubilden. Und Bilder im Kopf sind mächtig, weil sie unser Denken und Empfinden gegenüber den Flüchtlingen prägen.
Ich persönlich gehöre ja zu den privilegierten Jahrgängen, die schon in der Grundschule Mengenlehre vermittelt bekamen. Sie wissen schon, diese lustigen Ovale (die heißen übrigen Venn-Diagramme) mit Kreisen, Dreiecken und Quadraten drin. In rot, grün, und blau. Mit Schnitt, Teil und Gesamtmengen.
Nie wurde mir klar, wozu das einmal gut sein soll. Aber heute kann ich als Mengenlehre-Experte, ja sogar Venn-Diagramm-Urgestein, als Kreis-Quadrat-Dreiecks-Legende sagen: Es ist alles nicht so schlimm. Denn: Die Menge der Flüchtenden ist ihrer Natur nach: begrenzt und abzählbar.
Also keine Panik. Wir sind mit dem Zählen zwar noch nicht durch, aber es handelt sich um eine zählbare Menge, keine Lawine, keine Flut, keine Katastrophe. Die Zahl ist endlich, und wir wissen sogar, dass es eine Obergrenze gibt, die mit Sicherheit nicht überschritten wird.
Laut UNHCR gibt es eine Gesamtzahl von syrischen Flüchtlingen von 4.287.293 Flüchtlingen in Syrien. Keineswegs alle wollen nach Deutschland, und selbst im Ultra-Multi-Super-Worst Case wären das nur 5% unserer Bevölkerung. Und anders als 1945 liegt unser Land nicht in Trümmern, ist zwischen unterschiedlich wohl gesonnenen Besatzungsmächten aufgeteilt und kämpft ums nackte Überleben.
Also gibt es keinen Grund zur Panik, und es gibt auch genug Gründe Merkel recht zu geben, wenn sie sagt: Wir schaffen das. Keiner soll behaupten, das sei einfach, keiner soll behaupten, das koste nichts. Und nicht jeder der kommt ist nett, nicht jeder ist dankbar, nicht jeder sofort bereit, sich zu integrieren.
Offen gesagt: Es gibt keinen Grund anzunehmen, der Anteil an wirklich bösen Menschen sei bei den Neuankömmlingen geringer als bei den hiesigen Deutschen. Und dass letzterer erschreckend hoch ist, wird jedem bewusst, der in die Zeitung guckt. Ob systematische Betrügereien oder einfach stumpfe Gewalt: das können die Deutschen bestens. Von Ost bis West vom HartzIV Empfänger bis zum Aufsichtsrat.
Die Kriminellen, die Rassisten und Sexisten, die Betrüger und Gewalttäter, sie sind nur eine Teilmenge der Asylsuchenden. Und haben eine beachtliche Schnittmenge mit den Einheimischen.
Mengenlehre hilft.
Heidelbaer