Später wird man fragen, wann man der Anfang vom Ende war. Mit dem Attentat auf das World Trade Center, oder vielmehr in der Reaktion darauf, bei der sich zeigte, dass dem US-Militär niemand gewachsen war, weder die das Regime in Afghanistan, auch nicht Saddam Hussein, dass aber die mächtigen USA anders als in Europa und Japan nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr in der Lage waren, einen dauerhaften Frieden zu erzwingen?
Oder war es die Wahl von Donald Trump, mit der sich die USA als glaubwürdige und verlässliche Ordnungsmacht des Westens verabschiedeten? Oder war es der Aufstand nach seiner gescheiterten Wiederwahl? Oder wird es mit der kommenden Wiederwahl sein, dass es unübersehbar wird, dass die USA vom Stabilitätsanker der Weltpolitik zum Sorgenkind werden?
Dass Donald Trump erneut Präsident der Vereinigten Staaten wird, daran haben immer weniger Beobachter Zweifel. Er liegt in Umfragen deutlich vorne, die juristischen Niederlagen haben ihn keine Popularität gekostet, im Gegenteil: Er konnte sich weiter als Opfer der Eliten darstellen – als würde er nicht zu den Eliten gehören, und als wären die Taten, die man ihm vorwirft, nicht Grund zur Demut.
Zuletzt errang er auch juristische Erfolge, der Oberste Gerichtshof gewährte dem Präsidenten weitreichende Immunität, was viele Ermittlungen mindestens verzögerte, und schließlich wurden die Ermittlungen in der Dokumentenaffäre eingestellt. Was Trump wie einen Freispruch aus erwiesener Unschuld feierte.
Und nach dem gescheiterten Attentat, dass er schon Sekunden nach dem beinahe tödlichen Schuss ausnutzen konnte, um Heldenposen in die Kameras zu recken, zweifelt keiner mehr daran: Er wird 2024 die Wahl gewinnen. Biden wirkt zu alt, zu blass, zu hilflos gegen seinen Rivalen. Auch wenn eigentlich jeder wissen könnte, das selbst ein Besenstiel mit dem Team von Biden hinter sich besser wäre als Trump.
Aber so kann man doch den Abgesang auf das amerikanische Jahrhundert anstimmen. Denn lange dachte ich: Die USA sind „too big to fail“, aber die Anzeichen mehren sich, dass das ein Irrtum sein könnte. Natürlich haben sie ein Militär, das technisch und personell einsame Weltspitze ist. Aber die Russen erleben gerade, dass auch das zweitstärkste Militär der Welt verlieren kann. Die Amerikaner wissen das bereits auch.
Dazu kommt die Wirtschaft. Sicherlich sind die USA ein gigantischer Markt, eine rohstoffreiche Produktionsmaschine, ein Arbeitsmarkt, der vom Hightech-Ingenieur bis zum Tagelöhner alles bietet, was man braucht, um konkurrenzfähig zu sein. Aber Trump verschuldet die USA, macht die Grenzen dicht und misstraut den Universitäten.
Es kann passieren, dass da was kippt. Man hört von linken, klugen Denkerinnen und Denkern, dass sie bei einer Wiederwahl Trump mit Repressionen an den Universitäten rechnen, und sich nach Europa bewerben wollen. Großbritannien hat erlebt, dass „Grenzen dicht“ plötzlich Lücken im Arbeitsmarkt reißt. Und dass man den USA endlos Kredit gewährt, könnte sich ändern, wenn Trump sinnlose Handelskriege anzettelt.
Und dann kommt noch der Klimawandel, der das Karbonzeitalter beenden wird. Sollte Trump tatsächlich auf Öl, Gas und Verbrennungsmotor setzen, könnte er die amerikanische Wirtschaft mit Vollgas in die Sackgasse lenken. Und schon jetzt reißt eine Lücke zu China, die in der Produktion von Batterien, Elektrofahrzeugen und nachhaltigen Technologien an der Spitze stehen.
Dazu kommt die echte Gefahr von innenpolitischen Konflikten. Trump, der schon einmal einen Aufstand provoziert hat, jetzt physisch angegriffen wurde, befindet sich mit seiner Anhängerschaft schon mit einem Bein im Bürgerkriegsmodus. Das Land starrt von Waffen, Drohnenkriegsführung wie im Ukrainekrieg kann auch von Terroristen eingesetzt werden.
Sollten aus irgendeinem Anlass die tiefen Konflikte eskalieren – und mögliche Zündfunken gibt es genug – dann könnten die USA in Blut und Feuer untergehen. Oder zumindest für eine lange Zeit als militärische und wirtschaftliche Supermacht, an der auf diesem Planeten kein Weg vorbeiführt, ausfallen.
Fraglich ist, wer diese Rolle dann übernehmen will. Fraglos ist China auf der Pole-Position. Sie haben einen Riesenmarkt, sie haben eine mächtigen Produktionsapparat, sie haben wissenschaftlich und technologisch aufgeholt und ihr Militär erweitert permanent den Operationsradius. Dazu kaufen sie sich massiv in Afrika und anderen Ländern ein.
Russland dagegen dürfte komplett ausfallen. Der völlig misslungene Überfall auf die Ukraine entpuppt sich als menschen- und ressourcenfressendes Monstrum. Er hat die strategische Lage Russlands erheblich verschlechtert (mit Finnland und Schweden in der NATO ist der Ostseeraum praktisch verloren). Selbst wenn ein halber Sieg mit Besetzung der Krim und des Asowschen Meeres gelänge – es ist den Preis nicht wert. Und selbst bei einem Sieg Trumps wird kein totaler Sieg drin sein.
Und Europa? Hier muss man tief seufzen. Im Grunde könnte Europa als letzte Flamme der freien Welt hell leuchten, könnte die klügsten und besten Menschen der Welt anziehen, und die Speerspitze des Fortschritts, der Kultur, von Innovation, Handel und Diplomatie sein. Aber wirklich daran glauben kann man nicht. Auch hier stehen die Zeichen leider auf innere Konflikte, Blockaden, geschlossene Grenzen und in jeder Hinsicht fossile Subventionen.
Aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Vielleicht besinnt sich Europa seiner Kraft, vielleicht gelingt es, aus den USA, Russland, Afrika und Asien die Besten zu gewinnen, um den Traum einer freien Welt nicht begraben zu müssen. Ein erster Test wird der Krieg in der Ukraine sein: Kann dieses Land auch ohne den großen Bruder USA verteidigt werden?


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