Wenn Integration gelingen soll, dürfen wir einen Fehler nicht machen: nämlich uns auf die Männer konzentrieren. Dieser Fehler passiert leicht, denn schon aus mehreren Gründen kommen die Männer leicht in den Fokus:
- Sie sind in der schlichten Überzahl. Viele der Flüchtlinge aber auch Migranten auf der Suche nach Arbeit sind zunächst Männer.
- Sie sind diejenigen, die in das Erwerbsleben zu integrieren sind: Frauen tauchen auf dem Arbeitsmarkt oft nicht auf, weil sie (im Migrantenmilieu noch viel mehr als bei uns) für Haushalt, Kinder, Familie zuständig sind.
- Sie sind diejenigen, die Probleme machen: Ausländerkriminalität ist in erster Linie männlich. Problemorientiert zu arbeiten heißt deshalb oft männerzentriert vorzugehen.
- Sie wirken oft auch von sich aus aktiver, flexibler und motivierter, wenn es um Integrationsmaßnahmen wie Deutschkurse geht.
- Da Integration oft als „Bringe-Schuld“ der Neuankömmlinge gilt (was in der Sache nicht unberechtigt ist), werden nur die erreicht, die auch aus dem Haus kommen.
Dabei ist bekannt, wie wichtig Frauen für gelungene Integration sind. Gerade wenn Kindererziehung bei den Frauen liegt, darf es nicht sein, dass Kinder mit ihrer Mutter kein einziges deutsches Wort wechseln können.
Aber nicht nur sprachliche, auch kulturelle Hürden können nicht ohne Hilfe der Frauen genommen werden. Welches Frauenbild existiert in unserer Gesellschaft? Haben Mütter die Chance, zu begreifen welche Hoffnungen ihre Töchter haben, welche Werte mögliche Schwiegertöchter mitbringen?
Zuletzt die wirtschaftlich-soziale Frage: Unser Land bietet im Bereich niedrigqualifizierter Arbeit vor allem Frauenjobs, während klassische Männerarbeit ohne Sprach- und Fachkenntnisse immer schwieriger zu finden ist. Integrierte Frauen könnten erheblich zur wirtschaftlichen und sozialen Absicherung ihrer Familien beitragen.
Dazu muss aber tatsächlich „aufsuchende“ Arbeit geleistet werden. Die Frauen kommen nicht von sich aus, sie trauen sich nicht, es gibt große Ängste auch bei ihren Männern. Für viele ist es undenkbar, Frauen womöglich mit fremden Männern allein in einem Unterrichtsraum zu lassen.
Ohne sexualisierte Frauenbilder und Ehrenkodizes zementieren zu wollen, wird es nötig sein, ihnen einen Schritt entgegenzugehen um dann viele Schritte vorwärts zu kommen: Wir brauchen reine Frauensprachkurse mit weiblichen Lehrpersonal, wir brauchen Leute, die es übernehmen diese Frauen zu motivieren und sie abzuholen. Wir brauchen Kinderbetreuungsangebote.
Vieles davon kann auch ehrenamtlich und über Selbsthilfe organisiert werden. Und es wird auch schon vieles gemacht. Es könnte der entscheidende Faktor werden, ob Integration gelingt, möglichst noch besser als beim letzten Versuch.
Heidelbaer