Zehn Tote. Es gibt immer noch Vermisste. Weil es geregnet hat. Das kann doch nicht wahr sein, nicht im Deutschland des 21. Jahrhunderts. OK, es war viel Regen und es war kein von weitem herannahendes Sturmtief (auf sowas sind wir hier an der Küste eingestellt und bringen die Viecher auf die Warft) sondern eine Multizelle aus heftigen Gewittern mit einem massiven und sich nur langsam bewegenden Starkregenfeld. Alles das ist schwierig vorherzusagen auf Tage im Voraus, aber zu behaupten, man sei davon quasi aus heiterem Himmel überrascht worden, ist doch zu einfach. Denn nochmal: Es hat Tote gegeben. Zehn Menschen leben nicht mehr. Und es waren nicht nur Idioten, die geradeaus in die Überflutung gefahren sind, die trotz aller Warnungen sich im Drachensteigen geübt haben, oder Paddeltouren bei einsetzendem Gewitterguss nicht abgebrochen haben. Nein, es waren Rentner in ihren Häusern, Menschen wie du und ich, die einfach keine Chance hatten. Das, lieber Staat, musst du verhindern. Das ist dein Job. Also, was ist zu tun.
- Vorbeugender Hochwasserschutz global: Ein direkter Zusammenhang mit der Erderwärmung kann empirisch nicht nachgewiesen werden. Aber prinzipiell haben wir alle den Ernergie-Erhaltungssatz mal gelernt: Wenn du Energie in eine System hineinpumpst, verschwindet sie nicht einfach. Erderwärmung heißt schlicht: Es ist deutlich mehr (Wärme-)Energie in unserem System als früher. Diese Energie entlädt sich möglicherweise auch in Stürmen und Gewittern. Klimaschutz ist Menschenschutz.
- Vorbeugender Hochwasserschutz lokal: Viel wichtiger ist das, was ich vor Ort tun kann: Bodenversiegelung durch immer neue Gewerbegebiete, Neubaugebiete, Straßen und Parkplätze. Bodenverdichtung durch industrialisierte Landwirtschaft. Kanalisierung und Verrohrung kleiner Bäche und Flüsse. Das alles führt zu einem Entwässerungssystem, das einfach keine Puffer hat, um ungewöhnlich hohe Regenmengen aufzufangen. Hier muss vor Ort nachgedacht, geplant und gehandelt werden, mit Unterstützung von Experten und Wissenschaftlern aus Land und Bund.
- Verbesserte Vorhersage durch Meteorologen. Es ist schon irre, was man heute alles messen und wissen kann. Nicht nur Satellitenfilme, Taupunktmessung, Wolkentemperatur, Regenradar: Gewittergefahr lässt sich mittlerweile sehr genau feststellen, einschließlich der oben beschriebenen Risiken von massiven, langsam ziehenden Starkregenfeldern. Wenn sich eigentlich jeder Bürger von zuhause ein relativ detailliertes Bild von der Lage machten kann, warum funktioniert das nicht bei zuständigen Behörden?
- Verbesserte Warnsysteme der Hydrologen. Bei den tödlichen Unwettern in Bayern traute ich meinen Augen nicht: Fast alle Pegelstände der Hochwasserwarnkarte waren auf grün. Keine Gefahr. Zu diesem Zeitpunkt starben bereits Menschen. Das muss besser werden, erstens dass bereits gefallene und gemessene Niederschlagsmengen auf die Pegel projeziert werden, und Vorwarnstufen eingeführt werden. Zweitens scheinen mir die Pegel sehr stark auf das Ereignis „Schneeschmelze in den Bergen“ hin ausgerichtet zu sein, das zugegebenermaßen die Hauptursache für Hochwasserlagen in Bayern ist. Hier müssten für ein besseres Warnsystem die Szenarien „Starkregenlage“ auch auf die Pegelkarte Auswirkung haben, neue Messpunkte installiert werden oder einzelne verlegt werden.
- Bessere Aufklärung der Bevölkerung. Öffentlichkeitswirksame Kampagnen wie in den USA (Turn around, don’t drown) sucht man hierzulande vergebens. Es fehlt an Gefahrenbewusstsein, beim Autofahren auch beim Bauen in der Nähe von Flussufern. Und es gibt eine katastrophale Informationspolitik im Ernstfall. Zivilschutz ist für viele zum Fremdwort geworden. Keine Sirenen, keine Lautsprecherdurchsagen, Funk und Fernsehen im totalen Unterhaltungsmodus. Information über Katastrophenlagen ist eine Bringeschuld des Staates, keine Holschuld des Bürgers, also nur Portale im Internet zu unterhalten, bei denen Bürger sich informieren können reicht nicht aus, um Leben zu retten.
Denn darum geht es. 10 Tote sind nicht nur zehn individuelle Tragödien. Es ist auch Staatsversagen bei seiner wichtigsten Aufgabe: Die Bevölkerung zu schützen.
Heidelbaer