Das Dilemma der US-Außenpolitik

Es fällt leicht über Obamas Außenpolitik den Stab zu brechen. Im Rückblick wirkt sie lavierend, inkonsequent und sehr wenig erfolgreich. Unter seiner Präsidentschaft zerfiel der Irak, versinkt Afghanistan erneut in Anarchie, annektiert Russland die Krim und kann offenbar ungestraft Passagierflugzeuge abschießen und mit eigenen Soldaten einen Pseudobürgerkrieg im Nachbarland am Köcheln halten.

Der Arabische Frühling steht mit dem Untergang der Opposition in Syrien vor dem totalen Scheitern, die Sympathie für diese Volksbewegungen hat Obama die guten Beziehungen zu Ägypten gekostet, das nun offen mit Moskau flirtet. Prestigeprojekte wie ein Frieden zwischen Israel und den Palästinensern liegen vollends auf Eis.

Und falls er sich mehr um den Pazifik kümmern wollte: Die Spannungen in von China beanspruchten Seegebieten sind auch nicht weniger geworden, und seine großen Freihandelsprojekte, TTP und TTIP stehen nach seiner Abwahl vor dem Aus. In seiner Regierungszeit florierten die Populisten in den Philippinen, Indien, Japan, Europa und in seinem eigenen Land – bis einschließlich Brexit und Trump. Das ist eine verheerende Bilanz.

Dabei wollte er alles richtig machen, und möglicherweise ist das Teil des Problems. Denn so idealistisch, wie sich Obama in die Weltpolitik einbrachte, so sehr musste er an den Realitäten scheitern, die alles andere als ideal sind. Für skrupellose Taktiker wie Putin ein gefundenes Fressen. Er konnte in anachronistischer Weise alte „spheres of interest“ aus dem Kalten Krieg abstecken, ungestraft.

Ukraine, Syrien – sie wurden zu russischen Hinterhöfen deklariert, in denen der Raufbold Putin das Sagen hatte. Und der brauchte nur deutlich machen, dass er bereit ist, einen Weltkrieg zu riskieren um diesen Einfluss zu behalten – schon konnte er sich darauf verlassen, dass der vernünftige Obama keinen Konflikt riskieren würde.

Rote Linie? Budapester Memorandum? Schon richtig, aber dafür wird man doch keinen Atomkrieg riskieren. Natürlich nicht, nur wenn das die andere Seite vorher weiß, spielst du im Machtpoker mit Spiegelbrille. Keine gute Idee.

Und so erreichte Putin gleich einen mehrfachen Erfolg. Er gewann alte Einflusssphären zurück, und zu Recht macht man sich im Baltikum und anderen Ex-Sowjet-Staaten Gedanken, wie weit diese russische Reconquista eigentlich gehen wird.

Und damit ist auch der zweite Erfolg Putins markiert: Ihm ist gelungen die US-Außenpolitik als gleichzeitig berechenbar und unzuverlässig dastehen zu lassen. Genaugenommen sogar als berechenbar unzuverlässig. Das ist pures Gift für die Beziehungen.

Russland dagegen steht da, wie einer, der für seine Verbündeten alles einsetzt: Seine gesamte militärische Macht, Soldaten, modernste Waffen und Geld. Ja, es riskiert sich zum internationalen Bösewicht stigmatisieren zu lassen, wenn im Kampf um die Interessen ein Passagierflugzeug abgeschossen wird oder eine Großstadt in Schutt und Asche gelegt wird.

Währenddessen wollte Obama der good guy sein. Verhandeln. Kompromisse suchen. Keine Kopfabschneider unterstützen, sondern die einzig politisch korrekte Rebellengruppe Syriens, mit dem schon ironischen Ergebnis, dass ein 500 Millionen Dollar Programm dann am Ende „vier oder fünf“ Kämpfer gegen ISIS auf dem Schlachtfeld sah.

Andererseits: Rückblicke sind immer in der Gefahr neunmalklug vom Ergebnis her zu urteilen. War es nicht doch ein Erfolg seiner „roten Linie“ gepaart mit Verhandlungsbereitschaft dass die enormen Vorräte von widerlichem Giftgas erfolgreich aus Syrien geschafft werden konnten? Mit russischer Billigung? Was hätte Assad damit noch anrichten können, unter der Opposition, womöglich in Israel?

Hat Obama nicht den Iran-Deal eingefädelt, als es kurz vor einem Schlagabtausch zwischen Israel und der Islamischen Republik stand, mit völlig offenem Ende der Eskalationsspirale? Wo stünden wir jetzt, hätte es einen US-Präsidenten gegeben, der den Colt viel lockerer gehandhabt hätte?

Wenn wir jetzt auf die Ära Trump blicken, dann gerade deshalb mit Besorgnis. Vielleicht wird einiges besser laufen. Wenn er neu auf dem Spielfeld gleich mal „ein Zeichen setzt“ und sich mit einer rüden Aktion eine Gelbe Karte holt, könnte es bedeuten, dass die USA wieder mehr Respekt erhalten von Verbündeten wie Feinden.

Aber wieviele Menschenleben kostet so eine rüde Aktion? Welches Risiko bedeutet das für alle, wenn ein US-Präsident sich auf das Niveau Putins begibt, der deutlich macht, er habe keine schlaflosen Nächte bei dem Gedanken Atomwaffen einzusetzen?

Gerade wir Deutschen sind da besonders sensibilisiert und werden uns vielleicht bald Obama zurückwünschen, bei dem man sich wenigstens darauf verlassen konnte, dass er keinen Atomkrieg vom Zaun bricht. Auch wenn er gerade darum außenpolitisch einige Stiche hat liegen lassen.

Heidelbaer


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