Philippika provoziert gerne, und es ist heute kaum etwas provozierender als die SPD gut zu finden, und die aktuelle Fraktionsvorsitzende – das geht gar nicht. Und da sagen wir uns: Dann erst recht!
Ihre Regierungszeit in der vergangenen GroKo wird gnadenlos schlechtgeredet. Es wären die Armen immer ärmer, die Reichen immer reicher geworden. Das ist eine halbe Wahrheit und eigentlich eine ganze Lüge.
Denn ärmer geworden sind die Armen nicht, und das ist vor allem Ihrer Politik zu verdanken: Mindestlohn, Mietpreisbremse: Es lag auch an Ihnen, dass die Große Koalition unter Merkel sozialdemokratischer war als Rot-Grün unter Schröder.
Die Verbesserungen für die Ärmeren der Gesellschaft sind gelungen, ohne Nachteile für das Wirtschaftswachstum, und so ist in Ihrer Zeit als Ministerin für Arbeit und Soziales auch die Langzeitarbeitslosigkeit gesunken. Endlich.
Sie persönlich wurden in den sozialen Medien immer wieder diffamiert, ob wegen ihres Pippi Langstrumpf Liedchens im Bundestag, wegen des „auf die Fresse“ Zitats oder wegen des „Bätschi“.
Diejenigen, die sich am lautesten aufregten waren wahrscheinlich die, die auch immer fordern, die SPD müsse mal wieder Politikerpersönlichkeiten wie Herbert Wehner hervorbringen.
Ich jedenfalls freue mich im Politikbetrieb über Persönlichkeiten, die neben hoher Sachkompetenz, enormem Fleiß, einem klaren Standpunkt auch hier und da mal eine Prise Humor einbringen. Danke dafür.
Nun haben Sie die Aufgabe, die nächste Groko ihren Genossinnen und Genossen schmackhaft zu machen. Gerade als Fraktionsvorsitzende und Parteilinke kommt Ihnen dabei eine Schlüsselrolle zu.
Ehrlich: Deutschland könnte schlimmeres passieren, als die Fortsetzung einer Koalition, die Wirtschaftswachstum, wichtige soziale Fortschritte und außenpolitische Verlässlichkeit gebracht hat.
Natürlich bleibt noch viel zu tun. Das Gefühl des Abgehängtseins im globalen Wettbewerb haben manche ja womöglich zu recht, auch wenn es ihnen wirtschaftlich ganz gut geht.
Trotzdem die Europäische Integration voranzutreiben, Sozialneid abzubauen, Integration zu fördern, andererseits auch Grenzen zu setzen und zu sichern: Das sind echte Herausforderungen.
Die Sozialdemokratie ist über diese Fragen europaweit in eine Krise geraten. Die SPD hätte sich lieber in der Opposition erneuert, um ihre Identität wiederzufinden und ihr Profil zu schärfen.
Um so größer deshalb mein Respekt vor all denen, die das Wohl des Landes über das der Partei stellen, und nicht den Lindner machen. Und dafür noch diffamiert werden, es ginge ihnen um Geld oder Posten.
Hochachtung auch für das Sondierungspapier: Natürlich sieht man, dass das keine SPD-Alleinregierung ist. Und für eine große Koalition fehlen mir die großen Projekte. Aber im Detail ist vieles gelungen.
Deshalb sage ich: Vielen Dank für ihre harte Arbeit. Und viel Erfolg für das, was nun vor ihnen liegt: an Überzeugungsarbeit in der Partei – und womöglich Regierungsarbeit in einer neuen Groko.
Ihr Heidelbaer