(Die Predigt wurde am 18.4. im Pastorenkonvent in Großsolt gehalten, wir nehmen immer gerne den Predigttext des kommenden Sonntags, so dass man eine kleine Predigtmeditation für die Gottesdienstvorbereitung mitnimmt. Deshalb stelle ich sie auch online. Ich mag es außerdem, vor Kollegen – und damit auch mir selbst – zu predigen.)
Predigttext für Jubilate (Reihe IV) ist laut Liturgischem Kalender:
16 Darum werden wir nicht müde; sondern wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert.
Liebe Schwestern und Brüder,
Wir werden nicht müde heißt es.
Es geht also um eine Art Burnout-Prophylaxe.
Schon damals ein Problem.
Müde werden.
Kein Bock mehr haben.
Es wird einem alles zuviel.
Es macht einfach keinen Spaß mehr.
Ich bin zu alt für diesen Scheiß.
Was soll das alles noch.
Amtsmüde. Kirchenmüde. Lebensmüde.
Die Depression lauert – oft gerade hinter Erfolgen.
Hinter Weihnachten, hinter Ostern, hinter den Konfirmationen.
Alles geschafft, wie Elia am Karmel, den Herrn der Heerscharen gefeiert.
Vielleicht nicht 850 Heidenprophetinnen und Propheten abgemessert,
aber 500 Hände geschüttelt.
Frohe Weihnachten, frohe Ostern, feiern Sie schön.
Aber ich kann nicht mehr.
Der äußere Mensch zerfällt.
Sagt Paulus.
Er geht kaputt.
Mit der Zeit, mit dem Alter.
Mit dem ganzen Stress,
mit den ganzen Ansprüchen.
Von denen da draußen
von der Kirche und ihren Leitern
von uns selbst.
Da kann selbst das „Achten Sie auf sich selbst!“
noch zum Anspruch werden.
Das bitte nicht auch noch, ich habe genug zu tun.
Unaufhaltsame Zerfallsprozesse,
im Chaos versinkende Schreibtische
zerrüttete Beziehungen zu Freunden
oder sogar zur Familie
Konflikte mit sich selbst, mit Sucht,
Mit Schuld.
Konflikte mit Gott.
Wo bleibt mein Glaube?
Der innere Mensch wird erneuert.
Sagt Paulus.
Wie meint er das?
Jetzt noch mehr beten,
Jetzt also auch noch Ansprüche?
Achten Sie auch auf Ihre eigene Spiritualität?
Wann denn das noch?
Nein das geht nicht on the top.
Es geht nur von unten.
Pastorenbilder,
die man stürmen und zerbrechen muss.
Irdische Gefäße hat Paulus das oben genannt,
das äußere,
das zerbrechliche.
Gott sei Dank.
Mach kaputt was dich kaputt macht,
Sie haben uns nämlich ein Denkmal gebaut.
Welches Pastorenbild existiert?
Der Manager?
Die Mama?
Der Macher?
Die Geschäftsführerin?
Der Alleinunterhalter?
Die Freundin?
Der Ritualdienstleister?
Die Politaktivistin?
Der Kulturgarant?
Die theologsich Sachverständige?
Das Mädchen für alles?
Was existiert da draußen?
Was existiert hier drinnen?
Wer hat ihn oder sie vermisst:
Die Geistliche, den Geistlichen?
Was für eine altmodische Bezeichnung.
Wollen wir das noch sein?
Die Geistlichen unseres Dorfes, unserer Stadt?
Ist das angestaubt und altbacken,
oder liegt da ein Schatz drin,
eine Befreiung?
Alles hat ein Ende, nur der Kreis an keins.
So diagnostiziert Hanna Jacobs, Vikarin aus der Hannoverschen Kirche unser Gemeindeleben.
Ist die Gemeinde mehr als die Summe ihrer Kreise?
Das Sichtbare ist zeitlich,
das Unsichtbare ist ewig schreibt Paulus.
Wir sind in Bedrängnissen schreibt Paulus,
als wüsste er um Reformprozesse, Stellenstreichungen
und das Kirchenkreisverwaltungsgesetz.
Als wüsste er von einer steigenden Kirchenferne
ja von einer Kirchenfeindlichkeit in unserer Öffentlichkeit.
Um Religionskritik, die gläubigen Menschen die Vernunft bestreitet,
und die dem Glauben an Gott die Schuld gibt für Intoleranz und Krieg.
Paulus schreibt, als wüsste er wie es sich anfühlt, mit immer weniger Kräften
einen immer steinigeren Acker zu pflügen.
Aber teilt nicht unser Selbstmitleid.
Zeitlich und leicht ist unsere Bedrängnis, sagt er.
Und die Herrlichkeit ist ewig und wiegt viel schwerer.
Ihr habt es gut, sagt Paulus,
weil ihr etwas Gutes habt.
Leider nicht zu sehen.
Aber dafür ewig.
Liebe Schwestern und Brüder,
lasst uns wieder Geistliche werden.
Lasst uns das fragen:
wie kann ich innerlich geistlich wachsen.
Wie kann ich in meiner Gemeinde als Geistlicher wirken.
Was kann, was muss vielleicht genau deshalb wegfallen.
Ich bin fest davon überzeugt,
was für uns als Pastorinnen und Pastoren gilt,
gilt auch für die Gemeinden,
gilt auch für die Regionen
gilt auch für den Kirchenkreis
und die Nordkirche als Ganzes.
Wir werden geistlich von innen erneuert
denn es wird das Äußere zerfallen.
Wir werden uns dem Geistlichen zuwenden müssen.
Seht auf das Unsichtbare schreibt Paulus,
und vielleicht lächelt er bei dem feinen Widerspruch darin.
Die unsichtbare, ungestaltete Mitte.
Der wir Gestalt geben müssen.
in theologischer Arbeit
in spiritueller Tiefe
in verbindlicher Gemeinschaft
in Wort und Sakrament
in Glaube, Hoffnung und Liebe.
Eine Mitte,
der Gott Gestalt gegeben hat
in Jesus Christus, unserem Herrn.
Ein Kreis ist nur dann rund, wenn er eine Mitte hat.
Nach ihm müssen wir suchen in unseren Gebäuden
ihm müssen wir Raum schaffen,
ihm müssen wir Zeit widmen.
Müssen wir?
Warum müssen wir immer?
Die Erneuerung des inneren Menschen,
des geistlichen Amtes,
sie geschieht täglich,
und sie ist ein Wachstumsprozess,
und das passiert ja automatisch.
Wir können es nicht zwingen.
Wir können ihm Raum geben.
Ressourcen.
Boden bereiten,
Luft reinlassen.
Atmen lassen.
Wie du Jesus in die Mitte bekommst,
das ist dein Ding.
Ist es Bibellese, oder Stille.
Ist es Gemeinschaft oder Einsamkeit.
Ist es Austausch oder Meditation.
Aber dann brauchen wir keine Angst zu haben
wenn das irdische Gefäß Risse bekommt,
wenn wir wissen, dass darin das Gold ist
und keine gähnende Leere,
kein Vakuum, das implodiert, wenn die Hülle bricht.
Sondern wie ein Weinschlauch, der von innen gesprengt wird.
Kauft Gold rät uns die Offenbarung.
Kauft Öl heißt es bei Matthäus.
Immer geht es um das was drin ist,
Lasst uns deshalb mutiger bekennen, treuer beten, fröhlicher glauben und brennender lieben.
Als Geistliche einer unsichtbaren Kirche.
Die eine Verheißung hat auf Erneuerung.
Jeden Tag.
Amen
habe ich gerade super gerne gelesen! Dankeschön, Martin
PS: Grüße an deine Kathrin
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