MH-17 Ein Bericht, der nur eine Frage offen lässt.

Nun ist er da, veröffentlicht, für alle zugänglich im Netz: Der Abschlussbericht des Dutch Safety Boards. Minutiös werden alle Hypothesen geprüft, Beweise gesichtet, zugeordnet bewertet. Und mit aller wünschenswerten Klarheit wird festgestellt: Der Absturz dieses Flugzeuges mit 298 Menschen an Bord wurde verursacht durch eine Luftabwehrrakete russischer Bauart. Einer BUK.

Eine Überraschung war das nicht. Alle anderen Hypothesen waren abenteuerliche Behauptungen voller Widersprüche mit unglaubwürdigen Zeugen, an den Haaren herbeigezogenen Indizien und plump gefälschten Beweisen. Die These von einer russischen BUK wurde dagegen schon früh mit überzeugenden Argumenten vertreten.

Insbesondere die Gruppe bellingcat um Elliot Higgins hat sich beim Sammeln von Beweisfotos aus öffentlich zugänglichen Quellen wie den sozialen Netzwerken, Satellitenfotos, Veröffentlichungen, Waffenkundeund Landschaftsstrukturen verdient gemacht. Neben tapfererer Arbeit im Widerlegen auch der absurdesten Theorien wurden immer weitere Beweise gesammelt, veröffentlicht und diskutiert.

Dabei machte man es sich natürlich schwerer als die russische Propaganda. Wenn man jedem noch so weit hergeholten Gegenargument nachging. Wenn man jede einzelne Vermutung einer öffentlichen, nicht immer sachlich kompetent geführten Diskussion stellte – dann musste man auch damit rechnen, dass man bei jedem schwächelnden Halbsatz  gleich im Großen und Ganzen der Unzuverlässigkeit geziehen wurde.

Diese Probleme hatte die russische Propagandamaschine nicht. Sie konnte fröhlich jeden Mist, jede noch so abgeschmackte Lüge, jede noch so plumpe Fälschung als wissenschaftlich fundierte Theorie über ihre eigenen Nachrichtenkanäle in die Fernsehapparate von Wladiwostok bis Donetsk ausstrahlen – eingeschlossen eine große Zahl von Besserwissern hierzulande, die meinten, man könne mit aufmerksamem Hören auf die andere Seite ein objektiveres Bild gewinnen.

Nun ist also Schluss damit: Die ganzen ukrainischen Kampfflugzeuge, ihre Luft-Luft-Raketen und Bordkanonen, alles ist jetzt für die Tonne. Natürlich interessiert das die Propaganda nicht, sie wusste vorher dass sie lügt, und sie lügt einfach weiter. Sie trägt zur Wahrheitsfindung einfach nichts bei, außer man nimmt einfach das Gegenteil dessen an, von dem was da behauptet wird.

Und damit zu der einen Frage, die der Bericht offen lässt: Nämlich wer die Rakete nun abgefeuert hat. Kriminalistisch gesprochen: Wir haben nur den gerichtsmedizinischen Befund, dass die Leiche erschossen wurde, aber nicht keine Aussage dazu, wer geschossen hat. Doch einer hatte die Waffe in der Hand und hat abgedrückt. Und auf diese Frage kommt es am Ende strafrechtlich an, alles andere ist nur dazu da, diese Frage zu klären.

Und sie bleibt offen. Doch eigentlich wird sie gerade durch diese Tatsache auch beantwortet. Denn niemand auf dieser Welt, kann einfach ein ziviles Passagierflugzeug abschießen, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Nicht wenn hunderte von Menschen darin sitzen aus den verschiedensten Ländern.

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…es sei denn, er verfügt über ein weltenzerstörerisches Arsenal von Atomwaffen und ist verrückt genug, sie auch einzusetzen, wenn er nicht mehr weiter weiß. In diesem Falle wird die Welt immer sagen: Es ist schade um jeden einzelnen der 298 Toten, aber das ist es nicht wert, ihretwillen den Weltbrand zu riskieren.

Und es gibt nur eine Macht auf der Welt, die in diesem Gebiet Flugabwehrraketen dieses Typs besitzt, eine Armee, die in der Lage ist sie zu bedienen, eine Partei, die aktiv im Konflikt beteiligt ist – und nur eine einzige, die so unanständig viele Atomwaffen hat, dass einem beim Gedanken daran nur schlecht wird – vor allem wenn derjenige, der sie kontrolliert, gerne laut darüber nachdenkt, unter welchen Bedingungen er nicht zögern würde, sie einzusetzen.

Es ist Russland, es ist Vladimir Putin. Nur er kann beides: ein Passagierflugzeug abschießen und darauf bestehen, dafür nicht verantwortlich gemacht zu werden. Genausowenig wie für andere Kriegsverbrechen in der Ukraine . Oder in Syrien. Oder an anderen Schauplätzen russischer Interventionspolitik.

Aber der Gewinner ist er nicht. Dass seine Atomraketen das letzte Argument sind, mit dem er sich international noch durchsetzen kann, offenbart seine Schwäche. Und führt in Vermeidung einer harten Konfrontation zu genau jener Einhegungspoltik, vor der Russland eigentlich am meisten Angst hat. Eine Isolation, eine Zurückstufung in Vertrauens- und Kreditwürdigkeit. Ein Obervolta mit Atomraketen.

Wollen die Russen das? Will Putin das? Wenn aber Russland wieder zurück will, in den Kreis der großen Kulturnationen, in die Reihe der Weltmächte, in die Rolle des Partners in wirtschaftlichen wie politischen Fragen, dann gibt es nur einen Weg: Verantwortung übernehmen. Auch für die Fehler. Die Schuldigen nach Den Haag überstellen, den Opfern Entschädigung zahlen und die Invasion in die Ukraine beenden. Besser heute als morgen.

Heidelbaer


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