Friede, Freude, Eierkuchen?

Mich interessiert gerade die sich anbahnende Aussöhnung zwischen der Türkei und Israel. Grundsätzlich ist Versöhnung immer zu begrüßen, und die provokative Aktion mit der Mavi Marmara (dagegen war die russische Luftraumverletzung ein Furz) mit den daraus folgenden diplomatischen Konsequenzen aus meiner Sicht ein katastrophaler Fehler Erdogans, der sich auf den Säulen anti-israelischer Ressentiments in der muslimischen Welt zum Kämpfer der gemeinsamen Sache aufschwingen wollte. Doch keiner wollte ihn haben, und der Schaden in den Beziehungen zu Jerusalem aber auch den türkischen Freunden im Westen, vor allem Deutschlands und den USA war beträchtlich.
Aber wie dem auch sei: Nun stehen die Zeichen auf Aussöhnung, die diplomatischen Beziehungen sollen wieder hergestellt werden, und beinahe alles könnte wieder so wie früher werden, wo damals seit der israelischen Erdbebenhilfe in der Türkei eine regelrechte Partnerschaft zwischen beiden Ländern gewachsen ist. Auch in Sicherheitsfragen. Die Gerüchte, der Türkei sei die Festnahme des Kurdenführers Öcalans nur aufgrund der Hilfe israelischer Geheimdienste gelungen sind hartnäckig, aber unbewiesen. Tatsache ist aber schon, dass das Vorgehen der türkische Armee gegen den kurdischen Widerstand in den Zeiten der Kooperation deutlich effizienter wurde.
Das alles wurde nach dem Vorfall um die Mavi Marmara zur Makulatur. Die Gaza-Hilfsflotte fuhr unter türkischer  Regie. Sie sollte die israelische Blockade durchbrechen und Gaza mit Gütern versorgen, die nicht durch Israel kontrolliert werden durften. Israel ließ das nicht zu, brachte das Schiff auf. Bei dem Einsatz von Spezialkräften kam es zu bewaffneten Auseinandersetzungen an Deck, bei denen am Ende 9 Aktivisten ums Leben kamen. See- und Völkerrechtlich wird die Sache extrem kontrovers diskutiert.
Politisch endete das ganze Projekt in einer Eiszeit, wie sie sich jetzt gerade zwischen Putin und Erdogan abzeichnet, nur diesmal mit Erdogan in der Rolle dessen, der seine Rechte über die üblichen rules of engagement hinaus mit tödlicher Gewalt durchsetzte. Nur gerät er damit zunehmend in die Isolation. Auch ein neu geschmiedeter Pakt unter Federführung Saudi-Arabiens zur pan-islamischen Abwehr von Terror täuscht darüber nicht hinweg: Es ist einsam geworden um Erdogans Türkei.
Interessanterweise soll es nun also wieder mit Israel besser werden. Tatsächlich haben beide Länder in Syrien insofern ein gemeinsames Interesse, als sie keine schiitische Achse von Teheran über Bagdad bis Damaskus haben wollen, sondern mehr oder minder offen mit dem sunnitischen Widerstand sympathisieren. Erdogan macht aus seiner Unterstützung sunnitischer Rebellen keinen Hehl, Israel behandelt aber offenbar auch verletzte Kämpfer des Widerstandes gegen Assad, und greift auch militärisch ein, wenn moderne Waffen von Assad in die Hände der Hisbollah geraten könnten.
Hier scheint also ein gewisser Pragmatismus die Feindschaft langsam aber sicher abzulösen, zumal beide Seiten über die russische Aufrüstung Assads und die Stationierung von modernster Flugabwehr in ihrem Operationsgebiet alles andere als erbaut sein dürften. Die ausgestreckte Hand zur Versöhnung kommt also nicht völlig überraschend.
Aber eine Frage bleibt dabei merkwürdig offen: Was wird aus den Kurden? Die Kurden hatten sich in einer für die muslimische Welt beispiellosen Weise mit Israel solidarisiert und mit Sicherheit auch informelle Unterstützung erhalten. Nun ist völlig offen, was als nächstes passiert. Kann Israel zwischen der Türkei und den Kurden vermitteln? Oder werden die Kurden als Verbündete fallengelassen, um die strategisch wichtigere Partnerschaft zur Türkei zu festigen? Passen neuerdings prorussische Äußerungen kurdischer Befehlshaber da ins Bild?
Einmal mehr scheint sich das Bild der Freunde und Feinde, Allianzen und Gegner in Syrien und der Nachbarschaft zu verschieben. Aber nicht in einer Richtung, die baldigen Frieden verheißen könnte.
Heidelbaer
 

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