Tired of being the good guys

Donald Trump ist Präsident der Vereinigten Staaten. America first ist seine Botschaft zur Einführung in sein Amt. Damit erfüllt er seinen Anhängern einen Traum. Endlich mal wieder an sich selber denken. Die USA, als Weltpolizist für Wohl und Wehe des ganzen Planeten zuständig so unter den konservativen Präsidenten, dann sogar als moralische Instanz mit Friedensnobelpreis prämiert unter Obama. Und alles verlangte Opfer. Junge Männer, die in den Krieg zogen und verwundet, traumatisiert oder gar nicht zurückkehrten. Einen Schwenk in der Klima und Menschenrechtspolitik, in der die USA plötzlich zum Vorreiter wurden, obwohl es nirgends so viele Klimaskeptiker gibt wie dort, und nirgends der konservative Widerstand gegen Homosexualität, Abtreibung und andere Themen im Fokus der Liberalen so stark und gut organisiert ist.

Amerika bedeutete: Wir sind die Guten. Ob man gegen die Achse des Bösen zu Felde zog, oder Klimakompromisse möglich machte. Ob man in den Irak einmarschierte oder gerade in Syrien nicht: die USA sahen sich in der Verantwortung für den Weltfrieden. Darunter macht man es als Supermacht auch nicht. Aber man hat es ihnen nicht gedankt. Der Einmarsch im Irak war ein Fehler, die Zurückhaltung in Syrien auch, das halbherzige Eingreifen in Libyen eine Katastrophe. Die ägyptische Revolution zu unterstützen war verkehrt, weil sie die Muslimbrüder an die Macht brachte, den Putsch Al-Sisis zu unterstützen ist unmoralisch, weil er Hunderte tötete und die demokratisch legitimierte Regierung stürzte.

Im Handel dasselbe: die USA bildeten die Speerspitze des freien Welthandels und ernteten Handelbilanzdefizit und Produktionsverlagerung ins Ausland bis zum Niedergang der einst stolzen Autoindustrie. Die Liste ließe sich fortsetzen. Im Gefühl einer breiten Masse der US Amerikaner blieb ein Gefühl zurück: Wir zahlen, und zahlen und zahlen immer nur drauf. Wir wollen die Guten sein und stehen dann doch als die Bösen da. Und der kritischen Presse kann man es sowieso nie recht machen. Die meckern immer.

Ich bin der festen Überzeugung, Trump wurde nicht gewählt, obwohl er Tabus gebrochen hat, sich rassistisch, sexistisch und auch sonst daneben benommen hat. Sondern weil er es tat. Die Amerikaner waren tired to be the good guys. Sie haben sehenden Auges und bewusst jemanden gewählt, der die dunkle Seite der Macht verkörperte, aber in so einer jovialen und kumpelhaften Form, dass man jetzt keinen Darth Vader befürchtete. Sondern eher so einen Lebemann wie Berlusconi. Aber allein das Entsetzen des Auslandes und der kritischen Presse tat und tut den vom Gutseinmüssen ermüdeten Trumpisten wohl.

Was bedeutet das für die USA, Deutschland und die Welt: Das wird sich zeigen. Mir scheint sicher, dass Trump in der Lage sein wird, Erfolge für die USA zu erzielen. Weil er unberechenbarer ist als sein Vorgänger, werden andere vorsichtiger werden, ihr eigenes Blatt zu überreizen. Bei Obama wussten alle, dass er nichts Verrückten tun wird. Bei Trump ist sich niemand sicher. Bei diplomatischen Situationen, die dem Gefangenen-Dilemma gleichen (und davon gibt es einige), verliert zuverlässig der, dessen Entscheidung vorhersehbar ist. Diese Zeiten sind vorbei.

Die USA sind stark und mächtig genug, vielen ihren Willen aufzuzwingen, wenn keiner weiß, wie weit sie bereit sind zu gehen. Das kann sogar Konflikte verhindern, und Parteien an den Verhandlungstisch bringen. Dass rote Linien einfach ignoriert, garantierte Abkommen gebrochen werden, könnte unwahrscheinlicher werden, wenn im Weißen Haus einer sitzt, dem man prinzipiell alles zutraut. Aber das ist auch gleichzeitig das Problem: Die Eskalationsspirale könnte sich gerade an symbolischen Punkten unkontrolliert drehen, wenn zwei unberechenbare Sturköpfe aufeinanderprallen. Die Welt wäre sicherer wenn alle vernünftig und maßvoll regierten, und nicht alle gleich hitzköpfig und machtbewusst.

Für Deutschland und Europa wird es schwieriger. Es verband uns mit den USA, dass wir die Guten sein wollten. Um Deutschland wird es jetzt einsam. Auch innerhalb Europa ist nach dem Brexit, den rechtspopulistischen Erfolgen in Polen und Ungarn die Luft dünner geworden, und es scheint sicher, dass man in Frankreich bei der Präsidentenwahl mit Freundschaft zu Merkel wohl kaum Stimmen gewinnen kann. Man wird auch dort auf Distanz gehen, selbst wenn ein Wahlsieg Le Pens abgewendet werden kann (was aber womöglich nicht gelingt, oder mit österreichischer Marge).

Auch innenpolitisch muss man aufhorchen. Diese Gefühlslage kommt doch sonderlich vertraut vor: Immer die Guten sein zu müssen, am Ende immer draufzuzahlen, Arbeitsplätze ins Ausland zu verlieren und am Ende nicht ernst genommen zu werden, oder als die Deppen dazustehen, nicht gemocht zu werden. Alle lästern über deutsche Touristen, aber ohne sie wären manche Urlaubsländer pleite. Also: sich endlich mal das Recht rausnehmen, lauter aufzutreten, selbstbewusster, wenn nicht gleich herrischer. Schluss mit Political Correctness und gleich aller Höflichkeit dazu. Trump macht es vor, wir folgen.

Genau dieses Ziel verfolgen die Tabubrüche der AfD. Pretzel lobt die geheimnisvoll dunkle böse Aura seiner Frauke Petry, und wundert sich trotzdem darüber, dass er von seiner Anhängerschaft einen veritablen Shitstorm erntet, wenn er sich von Höcke distanziert. Nein, wir wollen nicht artig sein, wir wollen nicht gemocht werden, ja die ganzen Linken und Journalisten, die ganzen von allen umhegten und gepflegten Minderheiten, sie sollen sich vor Angst in die Hose machen, vor Entrüstung hyperventilieren, vor Wut Autos anzünden. All das hilft uns, also halt die Klappe Markus.

Man muss sich Sorgen machen. Und man muss um das Gute wieder kämpfen. Man muss ein Laserschwert entstauben und wieder zum Jedi werden. Das wichtigste Schwert ist die Wahrheit. Dass es der Welt einschließlich Deutschland, einschließlich Amerika noch nie so gut ging. Dass das Böse nichts zu verschenken hat, sondern einen schrecklich hohen Preis verlangt für jeden Erfolg, jeden Sieg den du ihm verdankst. Und es lässt sich seit jeher mit Blut bezahlen. Von Unschuldigen.

Es ist vielleicht momentan nicht allzu sexy zu den Guten zu gehören, zu denen, die verstehen wollen, die wirklich die Wahrheit wissen wollen, die auch mal zurückstecken, damit am Ende alle gewinnen. Die immer vernünftig sind. Die nachdenken bevor sie reden oder twittern. Es ist uncool geworden und es haftet ihm ein Duft des Verrates an, wenn man nicht nur ein die eigene Gruppe denkt. Aber es ist und bleibt das einzig Richtige.

Heidelbaer


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