Mein Unwort des Jahres 2017 steht eigentlich schon fest: Unwählbar. Ständig wied mir auch von durchaus intelligenten Journalisten, Publizisten und Aktivisten erklärt, warum eine Partei „unwählbar“ sei.
Mich nervt das gewaltig. Erstmal ist es formal falsch. Wählbar ist jede Partei, die auf dem Zettel steht. Punkt. Es gibt zu Recht enorm hohe Hürden, bis eine Partei amtlich für unwählbar erklärt wird.
Schon allein, dass eine persönliche Meinung („diese Partei finde ich doof“) zu einer absoluten Verallgemeinerung gemacht wird, ärgert mich an diesem Wort. Noch mehr, wenn wegen einer isolierten Aussage bestimmter Parteileute zu einem Einzelthema gleich der ganzen Partei der „unwählbar“ Stempel aufgdrückt wird.
Es gibt garantiert in jeder Partei irgendeinen Funktionär der zu irgendeinem Thema irgendetwas sagt, was ich total bekloppt finde. Wenn ich deshalb die ganze Partei für unwählbar halte: Was genau könnte dann passieren?
Genau, es zementierte sich das Bild, dass die Politiker alle Idioten, Lügner und Verbrecher sind, die Parteien deren Brutstätten und wirklich alle gleich übel sind allesamt „unwählbar“.
Das ist das Ende der Demokratie, wer anderen pauschal die Wählbarkeit abspricht, gibt letztlich sein Wahlrecht auf. Wesentlich für eine Demokratie ist doch, Prioritäten zu setzen, Kompromisse zu schließen. Das muss ich auch zwischen eigenen Ansichten und den personellen und programmatischen Angeboten der Parteien.
Mit dem „unwählbar“ Verdikt breche ich diese Kompromisssuche ab, und verlange implizit von anderen, es mir gleichzutun.Es wird quasi zu einer Gewissensfrage hochstilisiert, ob man mit seiner Stimme solche Äußerungen solcher Leute ernsthaft unterstützen könne. Die Antwort lautet natürlich Nein.
Im Ergebnis profitieren oft die Falschen. Trump profitierte davon, dass für viele aus dem Lager des linken Bernie Sanders Clinton „unwählbar“ war. Le Pen hätte in Frankreich nur deshalb eine Chance, weil die Linke den Fehler mit Blick auf Macron wiederholen könnte.
Auch für unsere Wahlen in Schleswig-Holstein und im Bund heißt es: Wählen gehen! Die Zahl der wirklich (auch guten Gewissens) wählbaren Parteien ist größer als mancher behauptet.
Heidelbaer
P.S. Deshalb unterstütze ich http://sh.kleinerfuenf.de/
Gut und hintersinnig analysiert. Diese Betrachtung sollten sich mal viele Wähler hinter die Ohren schreiben. Pauschaliertes diffamieren ist inzwischen eine Sportart, bei der ist unsere Politiker, egal welcher Couleur, zur Meisterschaft gebracht haben. Das sollten wir uns nicht zum Vorbild nehmen. Wir sollten auf unsere demokratischen Prozesse, die ein Antrag eine Partei zur Teilnahme an einer Wahl durchlaufen muss, vertrauen.
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