Dienstpflicht

Das Sommerloch-Thema dieses Jahres – und am Ende der Ferien fragt man sich schon, was davon noch bleiben wird. Von vielen ist die Dienstpflicht kritisiert worden. Ich dagegen halte sie durchaus für eine gute Idee.

Die Gegenargumente wiegen schwer:

  • Pflicht ist immer ein Eingriff in die Freiheit. Der Staat muss bessere Gründe haben als: nice to have. Er muss schon eine Not feststellen, der anders nicht beizukommen ist. Für diese Feststellung braucht er eigentlich eine breite, am besten eine 2/3 Mehrheit.
  • Denn grundsätzlich ist das Grundgesetz gegen eine allgemeine Dienstplicht. Denn nicht der Mensch ist für den Staat da, sondern der Staat für den Menschen. Das war eine wichtige Feststellung nach dem Totalitarismus der NS-Zeit – und bleibt wichtig, gerade weil der DDR-Staat auch totalitäre Ansprüche hatte.
  • Natürlich gibt es Nachwuchssorgen bei der Bundeswehr und auch bei den sozialen und ökologischen Diensten. Aber ist das mit Pflicht zu lösen, oder sollte es nicht viel mehr die Aufgabe des Staates sein, diese Berufe finanziell und von den Arbeitsbedingungen her attraktiver zu gestalten, statt Zwang einzusetzen um die Lücken zu füllen?

Alle diese Argumente unterschreibe ich ausdrücklich. Eine Dienstpflicht entbindet den Staat an keiner Stelle von der Notwendigkeit, Menschen freiwillig zum Dienst in der Landesverteidigung oder dem Dienst am Mitmenschen zu gewinnen. Die Bedingungen müssen verbessert werden, die Bezahlung ist zum Teil unterirdisch, und die Arbeitszeiten zum Teil unerträglich.

Aber es muss auch eins klar sein: Landesverteidigung und Pflege sind eben keine Spaßveranstaltung. Wenn diese Aufgaben nur wahrgenommen werden, falls gerade mal jemand Lust dazu hat, führt es geradewegs in die Katastrophe.

Schon jetzt belügen wir uns selbst: Unsere Verteidigung ist in einem so hohen Maße von anderen abhängig, dass nicht nur die USA, sondern auch unsere europäischen Verbündeten zunehmend ungeduldig darauf drängen, dass Deutschland seinen Beitrag leistet.

In der Pflege ist der Anteil an ausländischen  Beschäftigten mittlerweile weit überdurchschnittlich, nimmt man alle Osteuropäerinnen dazu, die privat individuelle Pflegeleistungen erbringen (und nicht alles sind registrierte Arbeitsverhältnisse) müssen wir feststellen: Auch hier versagen wir umfassend, für uns selber zu sorgen.

Deshalb bin ich der Meinung: Die Not IST da, und damit auch die Berechtigung, ja Notwendigkeit für den staatlichen Eingriff in die private Freiheit des Einzelnen. Verteidigung und Pflege sind eben keine Aufgaben, die privatwirtschaftlich geregelt werden können. Wir können das nicht dem Markt überlassen. Weder stellt er uns genug Geld, noch genügend Arbeitskräfte zur Verfügung.

Denn es ist eine Pflichtaufgabe auch für den Staat, und statt der Dienspflicht müsste er sonst andere Pflichten einführen oder erhöhen: Steuer- und Abgabenpflicht zum Beispiel. Und sollen wir mit Steuergeldern einen ruinösen Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte in Bundeswehr und Pflege mit dem gesamten Arbeitsmarkt eingehen?

Die Dienstpflicht wird auch teuer. Und die überfällige Verbesserung der Bezahlung und Arbeitsbedingungen auch. Aber kombiniert können sie eine Not abwenden, die unser Land in seiner Existenz wirklich bedroht.

Dazu kommen dann noch die nice-to-have Argumente: Dass es gut für junge Menschen ist, dass sie lernen, etwas für die Gemeinschaft zu tun, dass es ins Bewusstsein kommt, dass ein Gemeinswesen nur funktioniert, wenn alle mit anpacken, dass es für viele die Chance ist, den Horizont zu erweitern – und manche überhaupt auch die Attraktivität dieser Berufe kennenlernen.

Aber diese Argumente bleiben – so hübsch sie sind – nachrangig.

Heidelbaer


2 Gedanken zu “Dienstpflicht

  1. Nebst Gründen für die Einführung eines nationalen Dienstes haben wir uns in einem kleinen Kreise Sorge über den Frieden in Europa gemacht. Und angesichts dessen, dass es vielen Menschen immer noch nicht möglich ist für längere Zeit in einer anderen Kultur zu leben fordern wir einen europäischen Gemeinschaftsdienst – der neben genannten Argumenten Jugendliche in ganz Europa verbindet und ein erstes effektives Mittel gegen Xenophobie und mangelndem Verständnis für europäische Angelegenheiten ist. Mehr unserer Beweggründe sind auf http://ourcivilservice.eu zusammengetragen; vielleicht willst du ja einmal vorbeischauen 🙂

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