Predigt zum Großen Gastmahl, Lukas 14,15-24

Wie werden sie gestaunt haben, die Bettler, die Penner, die Versager, die Landstreicher und Obdachlosen.

Die da draußen, von den Hecken und Zäunen kommen als sie zum Festmahl kommen, als die das gesehen haben: die sich biegenden Tische aus lauter Köstlichkeiten, knuspriges Fleisch, dampfende Töpfe mit leckerem Gemüse, Frische Salate, Früchte, und natürlich Wein und andere Getränke, feines Geschirr, weiße Servietten, aufmerksames Personal. Das Festmahl eines Königs.

Die Hecken und Zäune, sie sind nämlich eigentlich dazu da die da draußen auch draußen zu halten. Umfriedet nennt man ein Grundstück, das eine Hecke oder einen Zaun hat. Wie schön, da steckt Frieden drin. Keiner von da draußen stört den Frieden drinnen. Man ist eben auch lieber unter sich.

Man trifft sich, mit denen, die dazugehören, die anderen sollen bitte draußen bleiben, mit ihrem Gestank, ihrem schlechten Benehmen, ihren Problemen, ihrer Gewalt und Kriminalität, mit allem, was ein kultiviertes Essen auf hohem Niveau stört.

Dazu sind Hecken und Zäune da. Es gibt ein drinnen und ein draußen, und drinnen, da ist Friede, da ist genug zu essen, da ist Kultur, Musik, Kunst und Tanz, da ist Besteck und weiße Servietten. Aber bevor diese komischen Gestalten auftauchen, passiert ein Skandal, ein Eklat:

Die geladenen Gäste kommen nicht. Vielleicht haben sich das die neuen Gäste auch gefragt: Wo sind denn die, die hier her gehören? Wo sind die feinen Damen und die edlen Herren hin? Wo bleiben die Leute mit den guten Manieren, die Mozart von Beethoven schon nach zwei Takten unterscheiden können?

Die mit Messer und Gabel auch umgehen können? Die die Servietten gar nicht brauchen, weil sie so manierlich essen und trinken? Wo ist der edle Zwirn, der teure Schmuck, das kostbare Parfum? 

Keiner da. Ja, waren sie nicht eingeladen?

Doch.

Ja – und… sind sie nicht gekommen?

Nein.

Keiner?

Keiner.

Warum das?

Gründe. Sie hatten alle ihre Gründe.

Wisst ihr wie weh das tut, eingeladen zu haben und keiner kommt? Ich habe das gerade erlebt, meine Tochter hatte ihrer besten Freundin eine Überraschungsparty schenken wollen. Irgendwie ist deren Geburtstag untergegangen, und wie sie so ist, sagt sie: Das geht gar nicht.

Also hat sie Freundinnen eingeladen, Kuchen gebacken, Luftballons aufgepustet, das Zimmer geschmückt, Spiele geplant, Pizza bei Mama bestellt, alles, wirklich ALLES was zu einem Geburtstag dazugehört.

Und dann sagt die beste Freundin ab. Ja, das ist das Risiko von Überraschungsparties, dass die andere Seite das ja nur für einen normalen Übernachtungsbesuch hält. Aber ich habe meine Tochter selten so heulen sehen wie an diesem Tag. Ihre Freundinnen, wir Eltern: Null Chance sie zu trösten.

So, ihr Lieben, geht es den König, geht es Gott, der eingeladen hat, alles bereit ist – und keiner kommt. Was für ein Schmerz.

Die Überraschungsparty fand dann doch statt, man konnte auf Elternebene noch miteinander reden, man konnte die Überraschung ein wenig lüften, und die Party retten. Wenigstens halbwegs. Wenn es so schief geht, braucht es Kreativität. 

Auch hier wird Gott, oder jedenfalls der Gastgeber kreativ: Lade alle ein die du findest. Und dann explizit auch: Die an den Hecken und Zäunen, die da draußen. Und nun sind sie da, und das Fest kann beginnen.

Eine starke, eine berührende Geschichte. Und natürlich ein Gleichnis. Denn ich habe es schon verraten, es geht um Gott, so jedenfalls wird das Gleichnis gelesen. Aber die wirklich spannende Frage bei Gleichnissen ist ja immer: Wo bin ich?

Wo sind wir?

Ich habe mit einigen Leuten über dieses Gleichnis gesprochen, weil ich die Frage so spannend fand. Einige sagten, und das gefiel mir sehr: Du darfst dein Publikum nicht beschimpfen. Die, die da sitzen, die, die sonntags in die Kirche gehen, die sind ja der Einladung gefolgt.

Wahrlich, und ich kann es nur aus vollstem Herzen Sagen: Herzlich willkommen, der Tisch ist gedeckt, schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist. Wie freue ich mich, dass ihr da seid, und wie wird sich Gott erst freuen, der viel mehr getan hat als ich (und der Küster, und der Organist und so…). Gott hat ALLES gegeben, dass du heute hier sein kannst. Und du bist da. Wie schön!

Damit könnte ich eigentlich Amen sagen. Wir könnten direkt zum Abenmahl übergehen, und es wäre wahrlich nicht verkehrt. Aber so eine ganz kleine leise Stimme in mir hebt zögernd ihren Finger in die Luft.

Ja? Was denn noch?

Sagmal, sagt diese Stimme, Erzählt Jesus die Gleichnisse eigentlich, damit wir uns mit den Guten darin identifizieren, und auf der richtigen Seite wissen? Oder hat er nicht eigentlich viel häufiger Buße gepredigt? Dass wir umkehren sollen? Dass wir uns erst auf die sichere Seite bewegen müssen?

Ja, das hat er, aber das muss ja nicht für JEDES Gleichnis gelten. Können wir nicht jetzt gleich zum Abendmahl…

Sie nimmt den Finger nicht runter.

OK, was ist dein Problem?

Ist diese Geschichte nicht von Christen ganz furchtbar ausgelegt worden, indem sie eben genau sich selber als die Guten betrachtet haben, und die Juden als die Bösen, die Gottes Einladung ausgeschlagen haben? Und… ist das gut gegangen?

Orrr, nein, das ist jetzt unfair. Jetzt mit der Antisemitismuskeule kommen geht ja wohl gar nicht, ich wollte nur einmal jetzt zum gemütlichen Teil übergehen, und du machst so ein Fass auf, muss das sein?

Nun, sagt die Stimme (ich stelle sie mir weiblich vor, wie vom Heiligen Geist, der ist auch manchmal sehr freundlich und trotzdem sehr nachdrücklich), war es so, oder war es nicht so? Hat man die Juden als die von Gott verstoßenen verachtet, verfolgt und am Ende ermordet? War es das was Jesus wollte?

NEIN, um Gottes Willen NEIN. 

Gut. Keinen Antisemitismus, keine Abkürzung, sich zu den Guten zu zählen. Ich glaube, Jesus wäre begeistert.

Aber wie sollen wir es denn dann auslegen? Heute?

Die Frage wäre ja, wo heute Hecken und Zäune sind. Hecken mit Dornen, Zäune mit Stacheldraht. Wo Leute draußen gehalten werden.

Uh, jetzt wird es aber ungemütlich, du.

Ja, ich glaube das war Jesu Problem, dass er mit Gemütllichkeit nicht so recht etwas anfangen konnte. Erzähl, woran denkst du?

Oh ich denke gerade an die Aufregung, die es um die Predigt vom Kirchentag gibt, wo ein schwarzer Pastor gesagt hat: Gott ist queer und Black Lives alway matter, und wir schicken nicht nur ein Schiff sondern viele Schiffe.

Da hast du aber gleich viele wichtige Themen genannt.

Ich? Nein, er, Quinton Caesar heißt er.Ich glaube ich habe selten so über eine Predigt nachgedacht und diskutiert!

Dann war sie wohl nicht schlecht, oder?

Na, darüber streitet man noch. Ich verstehe ihn so: Viele Menschen sind wegen ihrer sexuellen Orientierung, oder ihrer Identität aus der Kirche ausgeschlossen worden. Homosexuelle durften nicht Pastor oder Pastorin werden, auf keinen Fall gemeinsam im Pastorat wohnen, das habe ich alles noch so erlebt. Und bei Transgender Menschen, also Menschen, die sicher sind, in den Körper eines Geschlechts geboren worden zu sein, das nicht, oder nicht wirklich zu ihnen passt – mit denen hatten wir ja auch Probleme.

Hattet, ihr Probleme?

Na, ehrlich gesagt hatten vor allem die Probleme mit uns. Sie wurden ausgegrenzt, in Therapien geschickt, und nicht selten übel behandelt. Auf Schulhöfen, in Betrieben, in Sportvereinen aber leider auch in uns Kirchen. Du bist hier falsch, das wurde vielen vermittelt.

Ganz schön stachelige Hecken und Zäune, wenn du mich fragst.

Puh, ja da hast du recht. Und wer sich über den Satz: „Gott ist queer“ aufregt mag ja theologisch recht haben, aber vielleicht hat er nur Angst, dass Gott plötzlich auf der anderen Seite des Zaunes ist. Und wir hier ohne ihn feiern.

Und das mit den Black Lives Always matter. Und den Schiffen?

Oh, weh, da sprichst du echte Zäune an. Meterhoch mit Stacheldraht. Zäune gegen Menschen, die zu uns kommen wollen. Und die so unüberwindlich sind, dass sich Leute in wackelige Boote setzen.

Tja, sie sind eben nicht von uns, richtig?

Nein, das ist dem Zaun und dem Meer völlig egal ob das Christen sind oder Muslime, ob sie fliehen, weil man sie umbringen will, oder ob sie einfach eine bessere Zukunft suchen wie die Bremer Stadtmusikanten. Sie werden alle abgewiesen, abgeriegelt, zurückgedrängt.

Beim letzten Schiffsunglück sind vielleicht 500 Menschen ertrunken, davon 100 Kinder.

Ich weiß es doch auch nicht. Mein Kopf sagt mir: Wir können nicht alle aufnehmen, es muss irgendwie kontrolliert und reguliert werden. Mein Kopf sagt mir auch: Wir müssen das als Europäer gemeinsam machen. Wenn Deutschland Alleingänge veranstaltet machen die anderen die Grenzen zu uns dicht und niemandem ist geholfen.

Und dein Herz?

Mein Herz weint. Mein Herz schreit. Mein Herz blutet. Das darf in Gottes Willen nicht sein. Wir dürfen angesichts der Toten nicht einfach mit den Schultern zucken, und sagen: ist halt so. Ja, manche sagen: Die Leute werden erst nicht mehr in die Boote steigen, wenn sie definitiv wissen, dass es aussichtslos ist – und dann werden weniger ertrinken. Aber ist das so? Ist die Not nicht zu groß?

Schwer zu sagen oder? Und was ist mit Jesus?

Tja, der ist wohl unterwegs zu den Hecken und Zäunen. Der ist bei denen, die Angst haben, und nicht nur ängstliche Gefühle. 

Und was ist jetzt mit uns? Sind plötzlich wir allein im Festsaal, und der Gastgeber ist verschwunden? Das stellt die Geschichte ziemlich auf den Kopf, oder?

Wir können ihr vielleicht ein gutes Ende verschaffen: In dem wir versuchen, unsere Türen offen zu halten. Indem wir über den Zaun gucken, Türen und Tore in unsere Zäune bauen, die nicht verschlossen sind. Dass wir wenigstens die nicht ausgrenzen, die hier sind. Dass wir uns von hier auf dem Dorf bis hin zur europäischen Ebene dafür einsetzen, dem anderen, dem Fremden nicht mit Angst zu begegnen, sondern mit Offenheit, Vertrauen und Liebe. Dann schaffen wir eine Gemeinschaft, wo auch Jesus willkommen ist als unser Gastgeber.

Jetzt kannst du Amen sagen.

Na, gut Amen.

Eine Antwort zu „Predigt zum Großen Gastmahl, Lukas 14,15-24”.

  1. Man spürt, dass diese Predigt mit Herzblut geschrieben ist. Großartig. Danke.

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