Vierter und letzter Teil meiner Predigtreihe: Dark Luther – die dunklen Seiten Martin Luthers. Mit der vielleicht verhännisvollsten Entgleisung des großen Reformators und Theologen: Seiner Hassschrift gegen die Juden. Wie immer beginnt es mit einer fiktiven Szene aus dem Hause Luther, dargestellt mit Handpuppen.
Martin und Käthe.
Martin: Käthe, ich habe eine Entdeckung gemacht!
Käthe: Wirklich Martin? Du wirkst ja ganz aufgeregt
Martin: Ja Käthe, ich könnte fast weinen vor Glück. Es ist so einer dieser Momente, wo einem ein Kronleuchter aufgeht, und du die Lösung für ein Problem siehst, über die du dir – und Generationen vor dir – den Kopf zerbrochen haben.
Käthe: Das klingt wirklich spannend. Ist es so dass es der Kopf einer einfachen Nonne es verstehen kann?
Martin: Käthe, du bist die klügste und gelehrteste Frau, die es gibt auf der Welt, und könntest manchem Herrn Doktor der Theologie noch Nachhilfestunden geben.
Käthe: Martin, du übertreibst. Aber jetzt bin ich neugierig. Welches Problem hast du am Wickel – und welche Lösung hast du gefunden?
Martin: Hör zu. Es ist doch ein Rätsel warum die Juden ihren Messias, unseren Herrn Jesus nicht annehmen.
Käthe: Nun, das war doch schon immer so.
Martin: Ja, aber warum bleiben sie dabei? Sie könnten doch im Laufe der Zeit erkannt haben, dass sie sich im Irrtum befinden, und könnten Vertrauen zu ihm fassen, ihre Schuld bereuen und Vergebung empfangen wie wir alle.
Käthe: Das müsste für sie eine regelrechte Erlösung sein. Weil sie nach dem Gesetz der Werke leben, und der Gnade bedürfen.
Martin: Du hast es erfasst. Genau. Sie haben so eine Liebe zu Gott, und vor ihnen türmen sich die Gesetze und Gebote wie eine Mauer. Die Verzweiflung muss doch groß sein.
Käthe: Und trotzdem ergreifen sie nicht die Hand Jesu Christi, ihres Heilandes, ihres Messias‘. Das ist in der Tat merkwürdig.
Martin: Und weißt du woran es liegt? Mir fiel es heute wie Schuppen von den Augen.
Käthe: Nein, keine Ahnung
Martin: An den Papisten und ihren römischen Irrlehren. Ich war doch genauso verzweifelt. Werke, nichts als Werke verlangte der Papst. Wallfahrten, Messen, Fastenzeiten, Gelübde und Selbstkasteiungen.
Käthe: Und deshalb?
Martin: Für jeden gläubigen Juden hätte das doch bedeutet, dass er nur vom Regen in die Traufe kam. Das Evangelium war verstellt durch Riten, Mythen und Fabeln, eine neue Mauer des Gesetzes dass den Weg zur Gnade verstellte.
Käthe: Natürlich, du hast recht, ich habe die Klostermauern noch vor Augen, die mich eingesperrt haben. Nicht nur meinen Körper, auch meinen Geist, und deine Schriften haben erst den Geist, und dann die ganze Katharina aus diesen Mauern befreit.
Martin (umarmt sie): Und es ist so gut, dass du jetzt hier bist. Aber ich muss los.
Käthe: Du willst fort?
Martin: Ja. Jemand muss den Juden das Evangelium bringen, rein und lauter, unverstellt und unverdünnt. Einer, der ihre Not und Verzweiflung kennt. Der die papistischen Irrlehren widerlegen, und Gottes Gnade aus der Schrift beweisen kann – nicht nur dem Neuen Testament, sondern auch bei Mose, den Propheten und den Psalmen.
Käthe: Ich sehe ein, das kannst nur du sein.
Martin: Stelle es dir vor, Gottes endzeitlicher Plan, sein Volk zu sammeln, ginge in Erfüllung.
Käthe: Und wenn sie nicht auf dich hören?
Martin: Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Die Folge müsste ja ein schreckliches Gericht Gottes sein.
Käthe: Dann wünsche ich dir für deine Mission Gottes Segen und gutes Gelingen, Martin. Pass auf dich auf.
Martin: Ich kann’s kaum erwarten!
Tja, liebe Gemeinde – so kann es gehen.
Wir wissen, wie es ausgegangen ist: Die jüdischen Gelehrten haben sich interessiert mit Luther unterhalten. Aber Christen wurden sie nicht.
Sie fanden die innerchristlichen Kontroversen um Gnade oder Werke unterhaltsam. Aber sahen darin keinerlei Relevanz für ihre eigene Lehre, ihren eigenen Glauben. Der hatte schon lange vor Luther eine ganz eigene Balance zwischen Gnade und Werken gefunden, zwischen Lebensfreude und Glaubensernst. Sie brauchten keinen Bruder Martin, der sie belehrte.
Dabei hatte die jüdische Gemeinde die Reformation mit Wohlwollen gesehen. Die Nähe zu Toleranz und Humanismus, zu Vernunft und einer Abkehr von kirchlicher Gewalt waren Grund genug zu hoffen, die Reformation würde dem Judenhass und den Judenverfolgungen ein Ende bereiten.
Auch Luther hatte eine offene Haltung, empfahl die Reise- und Berufsbeschränkungen für Juden aufzuheben. Lehnte die Zwangskonversion entschieden ab. Schrieb sogar eine Abhandlung, dass Jesus selbst ja Jude gewesen sei.
Bis heute ist es ein Rätsel, wie sein Sinneswandel zustande kam, einige seiner Zeitgenossen und Weggefährten hielten die fürchterlichen Schriften die dann folgten, sogar für Fälschungen.
Denn dort empfahl er förmlich das, was in der Reichskristallnacht umgesetzt wurde: Die Juden zu vertreiben, ihre Synagogen zu zerstören, ihre Bücher zu verbrennen.
Nazi-Größen, die sich in den Nürnberger Prozessen für ihre Verbrechen zu verantworten hatten, beriefen sich noch auf diese Schriften, um sich zu rechtfertigen.
Ein Grund könnte sein, dass tatsächlich die Frustration, dass sein evangelischer Glaube die Juden nicht überzeugen konnte, in Wut und Hass umschlug.
Es kann auch sein, dass Luther, der überall den Teufel am Werk sah, wo der Glaube an Christus auf unerwarteten Widerstand stieß, blind gewesen ist, für die dämonische Kraft des Judenhasses.
Er sah den Teufel draußen in den Synagogen, wo er nicht war, und bemerkte nicht die Dämonen, die sein Denken, Reden und Schreiben vergifteten.
Denn es ist wirklich logisch, vernünftig und menschlich kaum zu erklären, wie dieser widerliche Judenhass sich in Deutschland eingenistet, ausgebreitet und über Generationen und Jahrhunderte gehalten hat.
Kindermord, Brunnenvergiftung, geheime Weltherrschaftspläne, Niedertracht, Menschenfeindlichkeit – diese Vorwürfe kleben an den Juden, bis heute.
Und Ihr Lieben: Wenn Sie heute Berichte über Israel lesen oder hören: Werden Sie hellhörig, wenn diese Motive auftauchen.
Sie werden alle wieder aufgewärmt, nur das der Davidstern jetzt blau und nicht gelb ist. Aber das ist wirklich auch alles. Israel vergiftet das Wasser der Palästinenser, ermordet palästinensische Kinder, Israel steuert die amerikanischen Großbanken, Israel verhindert Weltfrieden – und so weiter und so fort.
Tatsächlich versorgt Israel die Palästinenser mit sauberem Wasser, Tausenden palästinensischen Kindern wurden in Israels Krankenhäusern das Leben gerettet, und über Verschwörungstheorien weigere ich mich überhaupt zu diskutieren.
Aber sie kommen alle immer wieder hoch. Auch von sogenannten Intellektuellen, und mal von links und mal von rechts, und mal unvermittelt aus der Mitte, sogar von Pastorinnen oder Pastoren.
Obsessiv sei die Kritik an Israel, sagen die Fachleute. Obsessiv ist ein anderes Wort für Besessenheit. Womit wir wieder bei den Dämonen sind, die schon Luther quälten.
Es tut weh das zu sagen: Mit diesen Schriften hat er dem Teufel mehr gedient als Christus.
Aber wie wollen wir das heute machen? Wie stehen wir Christen zu den Juden? Zu Israel? Müssen wir jetzt total unkritisch werden und alles toll finden, was die Netanjahu Regierung tut?
Müssen wir das Zeugnis von Jesus als dem Christus, dem Messias so umdeuten, dass es für die Juden gar nicht mehr gilt?
In beide Richtungen gibt es Bewegungen in unserer Kirche und unter Christen, die ich auch mit Skepsis und Sorge verfolge.
Im Falle Israel: Ich rate dringend zur Sachlichkeit. Ein Verbrechen ist nicht besonders schlimm, wenn es ein Jude begeht. Es gibt ein Problem mit der Besetzung arabischer Gebiete, aber es ist nicht schlimmer als die Besetzung der Krim durch die Russen, oder die Besetzung Westsaharas durch Tunesien oder, oder, oder.
Warum genau DIESE Besatzung uns nun so viele Schmerzen macht, warum ausgerechnet daran der Weltfrieden zerbrechen soll – ich weiß es nicht. Wer dennoch meint, ausgerechnet DIESES Problem lösen zu wollen (als gäbe es keine anderen, wichtigeren), der möge sich aber bitte kundig machen, denn es gibt auch kaum ein komplizierteres.
Beiden Seiten zuhören, keine einfachen Gut/Böse Schemata aufbauen, schnelle Schuldzuweisungen lieber lassen.
Lesen Sie in meinem Blog, lesen Sie Breaking News von Schätzing, hören Sie zu bevor sie reden. Denn ein Teil des Problems, sind auch die vielen Besserwisser. Es ist schlimmer als im Fußball.
Zur Theologie: Das was Paulus Römer 9 sagt gilt.
Den Juden gehört: die Kindschaft und die Herrlichkeit und die Bundesschlüsse und das Gesetz und der Gottesdienst und die Verheißungen, die Väter – und aus ihnen kommt Christus her nach dem Fleisch. Ja, Jesus war Jude – und ist es im Prinzip immer noch.
Also sind auch wir als Christen nicht die Besserwisser, die den Juden etwas zu geben haben, sondern wir sind zunächst diejenigen die dankbar sein dürfen, was wir alles von ihnen bekommen haben.
Ich persönlich mache mir auch wenig Sorgen, dass Jesus alle Juden in die Hölle schickt, die ihn nicht als Messias anerkennen. Er ist der Richter, nicht ich, und das ist gut so.
Wenn sie die Kindschaft, die Verheißung, die Herrlichkeit haben – dann haben sie die.
Gott allein kann sie ihnen nehmen, ich nicht, Jesus allein sitzt am Ende auf dem Richterstuhl, ich nicht.
Und trotzdem.
Trotzdem hält Paulus daran fest, dass er so viele Menschen aus seinem Volk für Jesus gewinnen will, wie er nur kann.
Trotzdem hält auch Petrus daran fest, dass er sich vor allem um seine Mitjuden kümmert, dass die zu Jesus finden, bevor er auch Heiden und Griechen zulässt.
Und auch Jesus sagt, er sei zuerst gesandt, zu sammeln die verlorenen Schafe Israels – bevor sich sein Blick auf die ganze Welt weitet.
Es kommt mir deshalb eigenartig vor, wenn das Zeugnis von Jesus als dem Christus, als dem Messias seines jüdischen Volkes heute von einigen für obsolet erklärt wird.
Sicher: obsessive Judenmission, die dann wie bei Luther womöglich in Hass umschlagen kann – die hat es wirklich lange genug gegeben in unserer Kirche, und dahin will hoffentlich niemand zurück.
Und in der Tat gilt auch hier: Gibt es nicht genug Heiden in Großsolt und in Havetoft, dass wir uns nun aufmachen müssten, ausgerechnet Israel zu missionieren? Nirgendwo ist die Missionarsdichte so hoch. Anderswo werden dringend welche gebraucht.
Und schließlich: Waren Paulus und Petrus nicht selber Juden? Sind nicht christliche Juden diejenigen, die zuerst und vor allen anderen berufen sind, in ihrem Volk zu missionieren? Was wollen wir Deutschen da? Gerade wir Deutschen?
Ist es nicht eher unsere Aufgabe, zunächst um Vergebung zu bitten für das Unfassbare, was unser Volk den Juden angetan hat. Weder als politische, noch als religiöse Besserwisser machen wir dort eine gute Figur.
Es gibt also viele pragmatische Gründe gegen eine Judenmission – und wer die nicht gelten lässt, muss sich fragen lassen, warum.
Aber theologisch ist und bleibt es unsere tiefste Überzeugung, dass Jesus der Herr und Heiland für jeden einzelnen Menschen dieser Welt sein kann und sein will.
Ob er Jude ist oder Muslim, ob er verknöcherter Atheist ist, oder zweifelnder Christ: Jesus will dich retten, will dir deine Sünde vergeben, will dir ewiges Leben schenken und dein Vorbild sein für dein Leben hier auf der Erde.
Mission heute ist nicht mehr ein „du musst“ sondern eine Einladung, Jesus kennenzulernen, ihm zu begegnen, ein Vertrauen darauf, dass nicht meine Worte und Argumente überzeugen, sondern Jesus selbst als Person, mit seinen Worten und Werken, mit seiner Liebe die Herzen gewinnt.
Dieses Kennenlernen kann dein Leben verändern, dieses Kennenlernen ist etwas, das passiert zwischen dir und Jesus, und der, der es ermöglicht steht nur daneben und bestaunt das Wunder.
Amen