Memo zur 5. Regionalkonferenz Sozialplanung des Kreises Schleswig-Flensburg.
Thema war die Verbesserung der sozialen kommunalen Infrastruktur angesichts der Veränderungsprozesse. In dieser 5. Regionalkonferenz waren die Ämter Geltinger Bucht, Hürup, Langballig, Mittelangeln und Stadt Glücksburg als letztes an der Reihe.
Eingeladen waren „Interessierte Bürgerinnen und Bürger, Vertreterinnen und Vertreter der Politik aus den Amtsbereichen und des Kreises, Vertreterinnen und Vertreter von Trägern und ehrenamtlich Engagierte z.B. aus den sozialen Bereichen Seniorenbeirat, Jugendbeirat und sonstige Interessierte“ – zitiert aus dem Adressfeld der Einladung. Mir fiel auf, dass Kirche zwar als Trägerin eines Großteils von Senioren-, Jugend-, und Sozialarbeit durchaus mitangesprochen war, aber nicht namentlich erwähnt wurde. Diese Beobachtung setzte sich während der Konferenz fort. Allein die Negativfolie „Kirchturmdenken“ als Metapher für kommunale Engstirnigkeit erinnerte daran, dass es noch eine Kirche im Dorf gibt.
Gekommen waren eine große Zahl Menschen (geschätzt weit über 100), aber ich war der einzige Pastor vor Ort. Insgesamt war Kirche nicht erkennbar präsent (immerhin war Jessica Sell, die Leiterin unserer kirchlichen KiTa da und Burkhard Gerling – jedoch in seiner Eigenschaft als Bürgermeister von Husby – vom Kirchenkreisrat. Es fehlten: pröpstliche Personen und das Regionalzentrum völlig, Pastorinnen uns Pastoren mit meiner Ausnahme ebenfalls. Dienste und Werke (Diakonie, KiTa-Werk) habe ich auch keine prominente Vertretung erkennen können.
Die Veranstaltung in der Mensa des Schulzentrums Satrup war auf einem organisatorisch und inhaltlich hohen Niveau. Nach einer Einführung in das Thema wurden fünf Workshops in Impulsreferaten vorgestellt:
- Bildung/Jugend,
- Senioren,
- Heimerziehung/Jugend stärken,
- Dörfliche Infrastruktur,
- Migration und Integration.
In den Impulsreferaten wurde wichtiges Zahlenmaterial präsentiert, das demographischen Wandel, differenzierte Einsichten in die Altersstruktur der einzelnen Ämter, Verteilung der Heimplätze und Flüchtlinge ermöglichte und damit die Aufgaben formulierte, die in der Zukunft zu lösen sein werden.
Das war eine wichtige methodische Vorgabe: Zukunfts- und lösungsorientiert zu arbeiten. Es wurde ausdrücklich davon abgeraten, sich in Fragen der Problemursachen, der möglichen Zukunftsprobleme oder überkommener Lösungsmodelle festzubeißen. Diese Absicht konnte angesichts der Fülle der Problemlagen nicht überall umgesetzt werden, aber sie gab ein gutes Ziel vor.
Zusammenfassend kann man sagen: Es wurde sehr viel Geld und Mühe eingesetzt, um Bedarfe zu wissenschaftlich zu analysieren, Prognosen realistisch zu erstellen und kreative Lösungen zu entwickeln. Dabei waren diese Konferenz, genauso wie vorangegangene Befragungen und Plausibilitätsprüfungen, vom Willen getragen, die Bürgerinnen und Bürger „mitzunehmen“, also die Zahlen, Prognosen und Ideen mit den Menschen abzustimmen, um die es wirklich geht.
Dabei fiel mir als Gemeindepastor und angehenden Kirchenkreissynodalen auf: Man macht sich auf politischer Ebene genau die gleichen Gedanken wie wir auf kirchlicher Ebene – aber parallel. Es sind genau die gleichen demographischen Probleme, genau die selben Strukturveränderungen, identische Finanzierungsfragen, vergleichbare Nachwuchssorgen – usw.
Was mir deshalb dringend geboten scheint: Die parallelen Prozesse müssen miteinander verknüpft und vernetzt werden. Eine Sozialplanung ohne den größten Anbieter von sozialen und kulturellen Angeboten im Dorf kann gar nicht funktionieren. Umgekehrt ist es unverantwortlich, wissenschaftlich hochwertige Erkenntnisse aus methodisch anspruchsvollen Verfahren zu ignorieren, und kirchliche Zukunftsplanung ohne Rückkopplung an die kommunalen und politischen Entwicklungen durchzuführen.
Um kleine Beispiele aus der Praxis hier in Großsolt zu bringen: Der Bürgermeister und der Pastor besuchen beide die Senioren zu ihrem 80. Geburtstag. Das ist aufsuchende Sozialarbeit, es werden auch die Menschen gesehen und wahrgenommen, die es nicht mehr aus ihrem Haus schaffen. Es ist Wertschätzung und ein Teil von Dorfkultur, denn sie tauchen hier nicht als Hilfsbedürftige auf, die von der Sozialstation betreut werden, sondern als Bürgerinnen und Bürger, die von den Würdenträgern geehrt werden.
Das Problem: Der demographische Wandel schlägt zu. Es werden einfach immer mehr. War 80 einst ein gesegnetes Alter, ist es heute fast die Regel. Die Listen werden immer länger. Die Lösung momentan: Der Bürgermeister hat die Besuche eingestellt, der Pastor arbeitet am Limit. Gäbe er auch auf, werden die „Geburtstagskinder“ gar nicht mehr besucht. Kooperativ ginge es besser: Bürgermeister und Pastor einigen sich, jeder besucht nur die Hälfte. A-K, L-Z – oder wie immer sich das aufteilen lässt. Dann wird jeder Mensch wenigstens von einem der beiden besucht, und es ist für beide machbar.
Oder ein ganz anderes Problem: Es besteht ein zu großer Bestand an Gebäuden. Es baut sich jeder sein eigenes Gebäude: Feuerwehren, Sportvereine, Jugendtreff, Kirchengemeinde usw. Der Erhalt und die Nebenkosten werden zu einem wachsenden Problem. So werden Gebäude aufgegeben, oder verharren in einem wenig attraktiven Zustand, weil jeder die Sanierungs- oder Modernisierungskosten scheut. Lösung bisher: Es wurde ein neues Gebäude hergerichtet, die „Mühle der Begegnung“, das jetzt „state-of-the-art“ ist. Besser wäre: Eine kommunale Gebäudeplanung, die kooperativ prüft, welche Gebäude welcher Träger wie genutzt werden, und welche Maßnahmen hülfen, um sie attraktiv und erreichbar zu erhalten.
Es braucht nicht viel Phantasie um anzunehmen, dass es solche überflüssigen, teuren und für Haupt- und Ehrenamtliche wie für die Bürgerinnen und Bürger frustrierenden Parallelentwicklungen auch in anderen Gemeinden gibt – oder auf Amts- und Kreisebene, wenn weiter so wenig darauf geachtet wird, was der andere gerade tut. Es scheint mir dringend geboten, das zu ändern: Kommunale Runde Tische, ein Ausschuss der Synode genauso wie eine klare Dienstanweisung an den Leiter des Regionalzentrums, diese Vernetzungsaufgaben wahrzunehmen und auch in die Ortsgemeinden weiterzuvermitteln.
Kirche hat eine Gabe und damit auch eine Aufgabe die Versteppung ländlicher Räume aufzuhalten, dieses Licht darf sie nicht unter den Scheffel stellen. Sie muss darauf bestehen von der Politik hier als wichtiger Partner ernstgenommen zu werden, und sie darf Beteiligungsangebote nicht ignorieren. Auch aus einer theologischen Überzeugung heraus: Nicht etwa, um „Missionierung“ zu betreiben, sondern soziales und gesellschaftliches Leben zu erhalten und zu gestalten. Sie darf dies nicht allein dem Staat zu überlassen: Subsidiarität ist besser als Sozialismus.
Ein Gedanke zu “Subsidiarität statt Sozialismus”